Interview: Martin Herrmann (innogy) & Pavel Konečný (Neuron soundware)

Ein Manager und ein Startupper, beide Familienväter, beide im besten Alter. Martin Herrmann und Pavel Konečný greifen nach den Chancen einer neuen Zeit. Und stoßen dabei jeder für sich auf ganz unterschiedliche Herausforderungen: der eine als Top-Manager de RWE-Restarts innogy, der andere als Gründer des Startups Neuron soundware. Beide gehen wohl ein Stück des Wegs gemeinsam.

Martin Herrmann und Pavel Konečný greifen nach den Chancen einer neuen Zeit. Und stoßen dabei auf ganz unterschiedliche Herausforderungen. Der eine als Top-Manager des RWE-Restarts innogy, der andere als Gründer des Startups Neuron Soundware. Beide gehen wohl ein Stück des Wegs gemeinsam.

Plus: Ein anderer Herrmann, nämlich Hermann Hesse, behauptet in einem sehr berühmten Gedicht: Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. innogy ist an einem Anfang. Was ist der Zauber von innogy?

Martin Herrmann: Der Zauber ist, dass wir sehr konsequent gehandelt haben: Wir haben mit innogy die Blaupause für das Energieunternehmen der Zukunft geschaffen. Wir haben hier nicht nur die Bereiche Vertrieb, erneuerbare Energien sowie Netz und Infrastruktur gebündelt und uns so für die Zukunft fit gemacht. Wir wollen mit unserer neuen Marke auch eine neue Kultur schaffen – innogy ist kreativ, bunt, innovativ und natürlich kundenorientiert. Die zahlreichen positiven Kundenreaktionen, aber auch der erfolgreiche Börsengang Anfang Oktober zeigen uns, dass wir hier auf dem richtigen Weg sind.

Plus: Und für Sie ganz persönlich?

Herrmann: Der Zauber für mich ist, Teil dieser Reise zu sein. Es macht einfach Spaß, Dinge mit beeinflussen zu können und in einem hochmotivierten Team zu arbeiten.

Plus: Kohle und Atomenergie bleiben bei RWE. innogy kümmert sich um erneuerbare Energiequellen. Welche grundsätzliche Erkenntnis steht dahinter?

Herrmann: Es sind drei Dinge, die zur Bewältigung der Energiewende dazugehören: Das ist einmal die Erzeugung von erneuerbaren Energien. Das zweite Geschäftsfeld sind die Verteilnetze, die einen Großteil dieser Energiewende schultern müssen, weil wir immer mehr dezentrale Erzeugung bekommen. Konsumenten werden zu Produzenten, zu „Prosumers“. Und der dritte Bereich ist das gesamte Vertriebsgeschäft. Diese drei Dinge haben wir zusammengepackt. Aus industrieller Logik heraus und weil wir einfach wieder handlungsfähig sein wollten als Konzern.

Plus: Pavel, Sie sind wirklich am Anfang mit Neuron Soundware. Spüren Sie immer noch den Zauber oder sind Sie schon in der harten Realität aufgeschlagen?

Pavel Konečný: Das Entdecken der Möglichkeiten ist schon passé. Jetzt haben wir die praktischen Dinge zu erledigen, von den vertraglichen Verpflichtungen bis zur Frage, wo wir Leute rekrutieren oder die Technologie verbessern. Der Zauber ist verschwunden. Jetzt bleibt viel Arbeit zu tun.

Pavel Konečný, Neuron soundware (links) und Martin Herrmann, innogy (rechts)
Pavel Konečný, Neuron soundware (links) und Martin Herrmann, innogy (rechts)

Plus: Was war 2016 für ein Jahr für Sie?

Herrmann: Das Jahr 2016 war eines der spannendsten Jahre in meiner persönlichen beruflichen Geschichte, weil es unglaublich viele Dinge gleichzeitig mit sich gebracht hat. Ein Unternehmen wie innogy gründen Sie ja nicht über Nacht:  Wir haben die  rechtliche Struktur bestimmt, entschieden, welche  Assets bei RWE verbleiben, welche zu innogy gehen, welche Mitarbeiter in die neue Tochter wechseln. In der Spitze haben rund 1.500 Mitarbeiter an dieser Mammutaufgabe mitgearbeitet. Wir haben in Rekordzeit eine neue Gesellschaft aufgebaut und an die Börse gebracht.  Der zweite spannende Teil war das Rebranding für innogy. Und für mich dann in dritter Rolle Vorstand für den Bereich Retail zu sein in dieser neuen Gesellschaft, ganz eng an den Entscheidungen dran und Teil des Veränderungsprozesses. Sie sehen also, das Jahr war super spannend und ich bin sicher, es geht so weiter.

Pavel Konečný, Neuron soundware
Pavel Konečný, Neuron soundware

Plus: Pavel, 2016 ein Ausnahmejahr auch für Sie?

Konečný: Auf jeden Fall. Wir haben mit ein paar Zeilen Computercode und einer Liste von Ideen angefangen, wie unsere Technologie anzuwenden sein könnte. Und jetzt haben wir ein Produkt, eine Technologie, interessante Kunden, wir haben eine Firma und das alles innerhalb eines Jahres. Das ist es eine Riesenveränderung.

Plus: Wie viele Kunden haben Sie?

Konečný: Wir haben fünf zahlende Kunden, mit einigen anderen setzen wir Pilotprojekte um. Dazu haben wir eine ganze Reihe von Dingen in der Vorbereitungsphase. Das Ziel ist, unsere Technik über eine Menge von Kunden „scalen“ zu können, das heißt, es geht um eine weitere Verbreitung der Technik, und dafür müssen wir sie zunächst einmal vorbereiten.

Plus: Haben Sie auch ausländische Kunden?

Konečný: Ja, momentan beschäftigen wir uns für die Deutsche Bahn mit Rolltreppen und verhandeln über eine Lizenzierung mit Siemens. Mit denen haben wir bereits ein Pilotprojekt für Wind-Turbinen abgeschlossen. GE Aviation, Rolls-Royce und weitere Firmen haben Interesse angemeldet. Außerdem sind wir mit Mercedes-Benz Trucks in Kontakt, wo wir die Zuverlässigkeit von Lkws verbessern können, da wir in der Lage sind, Störungen herauszuhören.

Plus: innogy war ein Partner des DTIHK-Startup-Wettbewerbs „Connect Visions to Solutions“. innogy suchte nach Innovationen für die Smart Factory. Pavel, Sie haben den Wettbewerb gewonnen. Können Sie kurz beschreiben, was Ihre Software in der Fabrik des digitalen Zeitalters leisten kann?

Konečný: Wir befassen uns mit der Zuverlässigkeit von Maschinen. Die meisten haben heute schon Sensoren für Temperatur- oder Vibrationsmessung. Wir erweitern die Fähigkeit, eine Reihe von mechanischen Defekten zu erfassen, indem wir Geräusche der Maschine analysieren. Wir erkennen mit unserer Software, wenn zum Beispiel jemand vergessen hat, die Maschine zu ölen und sich eine Reibung ankündigt. Die Maschine arbeitet noch, aber sie fängt an, anders zu klingen. Das ist der Zeitpunkt, zu dem wir darauf aufmerksam machen. Bei den Kollegen von innogy hat das Interesse geweckt, und ich denke, dass dies auch der Richtung entspricht, in die die Firma gehen will: wertvollere Dienstleistungen hinzufügen. Zusammen bereiten wir ein Produkt für Smart Cities vor. Mit smarter Straßenbeleuchtung, die Geräusche auffängt, kann man einen interaktiven Stadtplan erstellen, auf dem etwa Beamte sehen könnten, wo und zu welchem Zeitpunkt welcher Lärm herrscht und warum.

Martin Herrmann, innogy
Martin Herrmann, innogy

Plus: Dass innogy gute Ideen und Startups zum Bereich Smart Factory sucht, was sagt das über die Strategie dieser neuen RWE-Tochter? Geht es eher um B2B oder um den Endverbraucher?

Herrmann: Wir sind immer auf der Suche nach Geschäftsmodellen, die für unsere Kunden werthaltig

sind. Für B2C-Kunden, für B2B-Kunden, oder eben für Lösungen im Bereich von Smart Cities. Wir selbst haben erkannt, dass langfristig kein Weg daran vorbeiführt, mehr als nur Strom und Gas anzubieten. Deswegen sind wir als innogy ganz stark mit einem Innovationsfokus unterwegs.

Plus: Wie geht man als Energie-Gigant am besten mit Startups um? Kaufen, integrieren, ihnen freien Lauf lassen?

Herrmann: Vorsichtig. Auch Innovationen, die wir selber aus dem Konzern heraus jetzt pushen, muss man sehr vorsichtig anfassen. Was man in keinem Fall machen darf, ist, die gesamte Konzern-Administration auf eine innovative Idee draufzuwerfen. Die ist nämlich danach tot. Das wollen wir absolut nicht, deswegen müssen wir Freiräume schaffen, aber zugleich sicherstellen, dass trotzdem gewisse Spielregeln weiterhin eingehalten werden. Das gelingt uns. Und die Anzahl der Produkte und Projekte aus unserer Innovationspipeline nimmt immer mehr zu.

Plus: Was muss ein Startup können und machen, damit es mit innogy ins Geschäft kommt?

Herrmann: Es muss einfach eine gute Idee und die richtigen Leute haben. Menschen, die in ihrem Bereich Spezial-Know-how mitbringen. Die mit Leidenschaft zur Sache gehen, erfolgreich sein und das in eine Partnerschaft einbringen wollen. Das ist für mich unheimlich wichtig.

Plus: Haben Sie das, Pavel? Können Sie das?

Konečný: Wir glauben, ja. Aber man muss Geduld haben, denn in einem Startup spielt sich alles zehnmal schneller ab als in einem Großunternehmen. Wenn man dort nach einem Meeting fragt, dann ist das in zwei Wochen. Bei Startups laufen innerhalb von zwei Wochen eine Menge Dinge. Ich habe gelesen, dass es durchschnittlich 22 Meetings braucht, bevor mit einem Großunternehmen ein Vertrag geschlossen wird. Schauen wir, ob wir mit innogy schneller sind.

Herrmann: Hier wird klar, dass wir uns fragen müssen, was wir von Startups lernen können.

Plus: Wissen Sie das?

Herrmann: Ja, ich glaube schon. Höhere Agilität, weniger Hierarchieebenen usw. Es gibt viele Ansätze, um schneller zu werden.

Plus: Pavel, was ist Ihr Traum mit Ihrem Startup? Ein schneller Exit mit Gewinn? Oder eine langfristige B2B -Zusammenarbeit?

Konečný: Unser Thema ist die künstliche Intelligenz von Maschinen. Da gibt es keine genaue Grenze, wann man sagt: Jetzt habe ich ihnen alles beigebracht und es ist Zeit, die Firma zu verkaufen. Für uns ist das oft, als hätten wir jetzt einen Hammer in der Hand. Alles sieht aus wie ein Nagel. Es ist sehr verlockend, unsere Technologie für alle möglichen Aufgaben zu verwenden. Einer meiner Kollegen ist im Sommer in den Bergen Fahrrad gefahren, und die Wettervorhersage, also das Produkt eines Supercomputers, traf überhaupt nicht zu. Er sagte: „Bringen wir unserer Software bei, die Wolkenbewegung zuverlässiger vorherzusagen!“ Im Prinzip ist das möglich und es kann zuverlässiger sein als numerische Modelle. Aber wir haben es dem Kollegen verboten: Nein, das machen wir nicht. Wir haben nun unser spezifisches Startup und Kunden, und jetzt beschäftigen wir uns mit Maschinen.

Plus: Es kommt immer häufiger vor, dass Manager von Großunternehmen kündigen, mit ihrem Know-how ein eigenes Startup gründen und das neue Produkt dann dem ehemaligen Arbeitgeber anbieten. Ist dieser Brain Drain ein Problem auch für innogy?

Herrmann: Dass im großen Stil Manager den Konzern verlassen, um Dinge alleine weiterzuentwickeln, war noch nicht der Fall. Wir haben aber erste Fälle, bei denen Manager sagen: „Lasst uns mal gemeinsam was machen. Ich nehme jetzt eine Auszeit, ich kümmere mich wirklich um dieses Baby.“ Ich persönlich würde das erst mal als Chance denn als Bedrohung betrachten, denn es bedeutet nur, dass man gemeinsam angefangen hat, tolle, innovative Ideen zu entwickeln, die man dann in einem konzertierten Ansatz freilässt. Ich glaube, es gibt für uns als innogy schöne Möglichkeiten, dann mit diesen Startups zu „partnern“, gerade wenn sie aus dem eigenen Konzern kommen. Es ist aber sicher ein Thema, das wir in Zukunft stärker auf dem Radarschirm haben müssen. Freiräume zu schaffen ist unheimlich wichtig, damit kreative Ideen überhaupt eine Chance zu haben. Das wissen wir und bieten Startup-Umgebungen auch im Rahmen des Unternehmens an.

Plus: Pavel, Sie haben einige Jahre als leitender Solution Architect bei Accenture gearbeitet. Was war für Sie der Impuls, die Firma zu verlassen und Ihren eigenen Weg zu gehen?

Konečný: Wir haben damals eine innovative Lösung im Bereich des kognitiven Computings gesucht. Mich hat das Thema immer interessiert. haben wir unter Verwendung künstlicher neuronaler Netze ein kleines Pilotprojekt für die Gesichtserkennung von Kricketspielern gemacht. Zu der Zeit habe ich in Australien gearbeitet. Vor etwa einem Jahr kehrte ich wegen meiner Familie nach Tschechien zurück. Damals sagte ich mir, das ist das, womit ich mich voll beschäftigen will. So habe ich mit einem Freund einige meiner Ideen ausprobiert. Zuerst die Datenkompression im Audio-Bereich, von dort führte der Weg dann dazu, Maschinen abzuhören.

Plus: Wie hoch war das Risiko finanziell und persönlich? Sie haben drei Kinder …

Konečný: Den Start erleichtert hat uns StartupYard, ein Akzelerator in Prag. 2016 waren wir eine von neun Firmen in diesem Programm. Wir sind stolz darauf, weil sie mehr als 300 Bewerbungen bekamen. Sie gaben uns zum Start viele gute Ratschläge, wichtige Kontakte und eine Anschubinvestition. Es heißt, dass 90 Prozent der Startups innerhalb von anderthalb Jahren wieder vom Markt verschwinden. Mit StartupYard sinkt die Wahrscheinlichkeit auf 33 Prozent. Als Startup hat man so eine mehr als sechsmal größere Chance, aus seiner Idee eine Firma zu machen, die überlebt – eine interessante Firma mit Kunden und Wertschöpfung.

Plus: Ist das Leben als Startupper leichter?

Konečný: Ich denke, Elon Musk hat recht: Eine Firma zu gründen ist wie Glas zu essen. Eine Herausforderung. Natürlich bringt jeder Tag etwas Neues und interessante Möglichkeiten. Das gibt Energie. Toll ist es, wenn ein Kunde kommt, der 500 eigene Softwareentwickler hat, die sich auch mit prädiktiver Wartung beschäftigen. Diesem Kunden schlagen wir etwas vor. Ihm gefällt unsere Lösung, aber er setzt erst einmal seine eigenen Leute darauf an. Anderthalb Monate hört man nichts mehr von ihm. Und dann kommt er und sagt: Wir machen das mit Ihnen!

Blick hinter die Kulissen

Herrmann: Wie viele Mitarbeiter haben Sie jetzt, was steht gerade im Fokus?

Konečný: Im März wollen wir zwölf sein, das ist doppelt so viel wie gegen Jahresende 2016. Wir arbeiten derzeit vor allem daran, die Datenerhebung zu vereinfachen. Zum Beispiel im Fall der Rolltreppen. Es ist unglaublich, die Leute zu sehen, die seit Jahren die Rolltreppen warten. Wir spielen ihnen Aufnahmen vor, sie schließen die Augen und sagen, diese oder jene Komponente ist kaputt. Sie erkennen das. Und das, was wir von den Leuten erfahren, bringen wir der Software bei. Google spielt Computerspiele, Facebook manipuliert unbeabsichtigt Wahlen– und wir versuchen, die Technik der künstlichen Intelligenz für etwas Nützliches zu verwenden.

Plus: Herr Herrmann, wir sprachen vom Brain Drain. Reizt es Sie nicht auch manchmal, alles stehen und liegen zu lassen, um mit Ihren Fähigkeiten und vor allem Ihrem immensen Wissen über das Unternehmen ein Startup zu gründen?

Herrmann: Wenn ich mit begeisternden Startup-Unternehmern in Kontakt komme, dann denkt man natürlich darüber nach, warum man das nicht selbst gemacht hat oder ob man das jetzt auch noch mal starten würde. Aber für mich ist diese Managementaufgabe, einen Konzern wie innogy, einen „Restart“, professionell in eine Zukunft zu führen, die sich rapide verändert, auch eine Riesenherausforderung. Aber natürlich, wenn ich in Palo Alto bin und Kontakt zur Stanford University habe oder Richtung Berkeley gucke, dann sagt man sich: Wenn ich jetzt noch mal 30 Jahre jünger wäre, ein Student, das hätte mich jetzt schon sehr gereizt, ein Teil davon zu sein und dort hinzugehen.

Plus: Pavel, cool, schnell, flexibel, offen, enthusiastisch. Dies sind Attribute der Startup-Community. Was ist dran an dem Valley-Mythos?

Konečný: Diese Gemeinschaft entsteht rund um die Akzelerator-Programme. Man sieht, wie schnell im digitalen und vernetzten Zeitalter eine neue Idee die ganze Welt durchdringt und sie plötzlich verändert. Wenn irgendwann jemand ein sehr effizientes, billiges Solarpanel entwickelt oder zu einem technologischen Durchbruch bei der Stromspeicherung gelangen würde, und wenn – Gott bewahre – beides zusammenkommt, dann bräuchte man keine Kohle mehr abzubauen und keine Atomkraftwerke mehr zu errichten. Ein ganzer Industriezweig würde plötzlich durch eine junge Idee ersetzt.

Plus: Was bedeutet das zum Beispiel für die sehr spezifischen und intensiven deutsch-tschechischen Wirtschaftsbeziehungen?

Konečný: In Tschechien und in Deutschland hat die Industrieproduktion den größten Anteil am BIP. Das gibt den Unternehmen die Hoffnung, sich in der materiellen Welt zu profilieren, in der Welt der Atome. Nicht nur in der Welt der Bits. Es ist kein Zufall, dass das tschechische Heimwerker-Volk einen 3D-Drucker entwickelt hat, von dem nun Tausende pro Monat verkauft werden. Für Startups haben wir hier ein sehr spezielles Umfeld, für das der DTIHK-Wettbewerb ideal ist, weil die großen Konzerne in Tschechien immer noch nicht die Tür für Startups geöffnet haben. In Deutschland schon. Dort hat jede größere Firma ein Programm, Einrichtungen, interne Mitarbeiter, die ihnen helfen, sich den Weg durch Regulierung und Compliance zu bahnen und die richtigen Leute von neuen Ideen u überzeugen. Wenn dies erfolgreich in das tschechische Umfeld übertragen würde, das würde helfen.

Plus: Herr Herrmann, wie schaffen Sie es intern, Ihre angestammten Mitarbeiter für den neuen Weg von innogy zu öffnen? Und wie binden Sie zugleich neue, junge Mitarbeiter langfristig an das Unternehmen?

Herrmann: Den Prozess, anders zu führen in Zeiten der schnellen Veränderung, das haben wir schon vor ein paar Jahren unter der Führung von Peter Terium begonnen. Das Wichtigste ist vielleicht das „Next-Level-of-Leadership“-Programm gewesen, durch das wir unsere gesamte Top-Führungsmannschaft haben laufen lassen. Es öffnet Menschen für Veränderung und versucht, viel positive Energie freizusetzen. Angefangen von Themen wie Work-Life-Balance, bis hin zu „Was bietet und zeigt mir die Welt draußen?“ – rausgehen, mit anderen Firmen interagieren, sehen, was wir dort lernen können. Unsere Veränderungsreise beginnt also nicht bei null. Jede Führungskraft hat verstanden, dass Veränderung die einzige Konstante ist und Veränderung bei einem selbst beginnt. Das Gesamtpaket innogy wird junge Mitarbeiter motivieren, Teil einer Erfolgsgeschichte zu werden.

Plus: Fordert die neue innogy von Ihnen spürbar andere Managerqualitäten?

Herrmann: Ja, ganz eindeutig. Wir wollen weniger hierarchisch sein, offener, schneller in unseren Entscheidungen. Mehr auf die Kunden hören, innovativer werden. Wir haben eine ganze Reihe von positiven Attributen definiert, und dazu braucht es einen speziellen Managertypus, der damit umgehen kann.

Plus: Bei Ihrer täglichen Arbeit bewegen Sie sich in einem strengen Koordinatensystem von verschiedenen Interessen: Mitarbeiter, Kunden, Aktionäre, Konkurrenten, Politik … Wie schaffen Sie das?

Herrmann: Das ist eine gewisse Kunst und auch Managementerfahrung, die man über viele Jahre aufbaut. Man muss Prioritäten setzen, delegieren können, spezialisierte Mitarbeiter für verschiedene Aufgaben hinzuziehen und Wichtiges vom Unwichtigen unterscheiden können. Was heute wichtig ist, mag morgen schon nicht mehr wichtig sein. Darauf muss man besonders achten. Und was mir wichtig ist: Wenn man Spaß am Job hat, dann kann man auch viele Bälle gleichzeitig jonglieren. Man muss ein gutes Team haben und die notwendige positive Energie ausstrahlen. Dann kommt vieles zusammen, und man ist hoffentlich in der Summe erfolgreich.

Plus: Und Ihr Koordinatensystem, Pavel?

Konečný: Wir haben es viel einfacher. Für uns gibt es nur ein Wort: der Kunde. Wenn sich Uber damit befassen würde, ob seine Fahrer eine Taxikonzession haben müssen, wäre es nie entstanden. Es befasst sich damit erst, wenn es anfängt, wehzutun.

Plus: Was lässt Sie beide in der Nacht nicht schlafen?

Herrmann: Wenn ich nicht vernünftig schlafen würde, würde ich wahrscheinlich nicht genügend Kraft tanken, um das Gesamtprogramm zu bewältigen.

Konečný: Dass ich morgens aufwache und meine Kinder groß sind und ich ihr Aufwachsen nicht miterlebt habe.

Plus: Mit wie vielen Stunden Schlaf kommen Sie in der Regel aus?

Konečný: Sieben.

Plus: Und, haben Sie die?

Konečný: Warten Sie mal (schaut auf seine Smart-Watch). Heute habe ich nur sechs Stunden 47 Minuten geschlafen. Aber mein Durchschnitt der letzten Tage ist sieben Stunden 26 Minuten. Also diese Woche ist es gut.

Plus: Und Sie, Herr Herrmann?

Herrmann: Bei mir geht es eher so gegen sechs Stunden. Das brauche ich schon.

Plus: Und wenn Sie beide von der Welt von morgen träumen, was entsteht da für ein Bild vor Ihrem inneren Auge?

Konečný: Ich denke, dass in ein paar Jahrzehnten die Menschen vor der Wahl stehen werden: Entweder sie übertragen ihr Bewusstsein auf eine Maschine und leben ewig. Oder sie entscheiden sich für  die Sterblichkeit. Diese Entscheidung wird jeder für sich selbst treffen müssen.

Herrmann: Ich versuche, nicht so weit in die Zukunft zu sehen, weil ich glaube, dass alle Prognosen der Zukunft in der Vergangenheit doch eher falsch waren.

Plus: Und wenn Sie an Ihr persönliches Leben im Morgen denken?

Herrmann: Ich hätte gerne ein Leben, das eine Mischung aus analog und digital ist. Die neuen digitalen Möglichkeiten im Beruf und im Privatleben genießen – und manchmal einfach abschalten und in der Natur Kraft tanken.

Plus: Herzlichen Dank Ihnen beiden für das Gespräch.

Autor: Christian Rühmkorf, Chefredakteur Plus, DTIHK/Fotos zum Interview: Tomáš Železný

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