„Wir wollen führend bei Innovationen und Nachhaltigkeit sein“

Noch einmal herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Ernennung zum Wirtschaftsminister. In Ihrer Eröffnungsrede auf unserem German Czech Economic Forum haben Sie deutlich gemacht, wie wichtig Ihnen die deutsch-tschechischen Wirtschaftsbeziehungen sind. Wie sehen Sie die Zukunft unserer Zusammenarbeit?

Die Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Tschechien sind seit langem die Grundlage für unsere wirtschaftliche Entwicklung und unseren gemeinsamen Wohlstand. 2023 hat unser Handel ein Rekordvolumen von 122,5 Mrd. EUR (Quelle: MPO) erreicht, was zeigt, wie eng und wichtig unsere Beziehungen sind. Deutschland ist auch einer der größten Investoren in Tschechien und trägt zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zum technologischen Fortschritt auf beiden Seiten bei.
Ich halte es für entscheidend, diese Beziehungen in Zukunft weiter auszubauen. Insbesondere Digitalisierung und Künstliche Intelligenz bringen uns an die Schwelle der nächsten industriellen Revolution und sind ein Instrument mit enormem Potenzial dar. Tschechien unternimmt beispielsweise mit der „Nationalen Strategie für Künstliche Intelligenz 2030“ Schritte, um diese Technologien für Unternehmen und Industrie voll zu nutzen. Außerdem haben wir vor kurzem die neue Wirtschaftsstrategie „Tschechien in die Top 10“ beschlossen, an der ich über sechs Monate lang mit Experten gearbeitet habe. Unser Ziel ist es, die tschechische Wirtschaft in Bezug auf das Pro-Kopf-BIP unter die Top 10 der EU zu bringen .
Ich bin überzeugt, dass sich die deutsch-tschechischen Beziehungen durch gemeinsame Bemühungen, die Förderung von Innovationen und die Vertiefung der Kooperation in Bereichen mit hoher Wertschöpfung weiterhin erfolgreich entwickeln werden.

Wodurch sollte sich Tschechien im globalen Maßstab wirtschaftlich auszeichnen? 

Tschechien hat den Ehrgeiz, ein Schlüsselakteur im globalen wirtschaftlichen Umfeld zu werden , insbesondere im Kontext der EU. Unsere Strategie ist klar: Wir wollen in Sachen Innovation und Nachhaltigkeit führend sein.
Einer der wichtigsten Bereiche, in denen ich Potenzial sehe, ist die Halbleiterindustrie. Das ist ein Sektor, der bei der weiteren Entwicklung der Digitalisierung, der Elektromobilität und der modernen Technologien eine Schlüsselrolle spielt. Halbleiter sind das Herzstück des technologischen Fortschritts, und Europa hat das strategische Ziel, seine Autarkie in diesem Bereich zu stärken.

German Czech Economic Forum, 12. November 2024, Hauch Gallery Prag

Eine weitere Priorität ist die Modernisierung des Verkehrssystems. Dabei geht es um die Verbindung von Verkehrs-, Energie- und Datennetzen zur Schaffung einer effizienten und nachhaltigen Infrastruktur. Dazu gehören zum Beispiel der Ausbau der Wasserstoffmobilität, die Stärkung der grenzüberschreitenden Energiekooperation und die Digitalisierung von Logistikprozessen.
Unsere Wirtschaftsstrategie umfasst mehr als 150 Maßnahmen, die auf Innovation, Modernisierung, Wettbewerbsfähigkeit, Kapitalmarktentwicklung, Nachhaltigkeit, Förderung der Hochschulbildung, Steigerung der Qualifikation von Arbeitskräfte und globale Trends abzielen. Weitere strategische Bereiche, auf die wir uns konzentrieren , ist die Modernisierung des Energiesektors, energieintensive Industrien sowie Verteidigungs- und Sicherheitsindustrie.

Wie wollen Sie die Ziele dieser Strategie in einer Zeit der Konsolidierungspolitik erreichen?
Es ist notwendig, die öffentlichen Ausgaben auf allen Staatsebenen besser zu koordinieren und ihren Nutzen für die Wirtschaft zu prüfen . Ein Beispiel: Als ich stellvertretender Hauptmann der Region Vysočina war, habe ich ein System eingeführt, bei dem wir keine neuen Förderprogramme schufen, sondern nur bei der Mitfinanzierung der bestehenden nationalen Programme halfen. Die Antragsteller wurden so vom Staat bzw. der Europäischen Union geprüft, was nicht nur verhinderte, dass eine neue Agenda in den Behörden geschaffen wurde, sondern auch dazu beitrug, dass wir die Mittel nicht in unzählige Investitionen aufgeteilt haben.

Halbleiter sind für Tschechien und Deutschland mit ihrer Automobilindustrie von entscheidender Bedeutung. Wie kann Tschechien beispielsweise mit Bayern und Sachsen besser zusammenarbeiten, um die Halbleiter- und Chip-Produktion zu entwickeln, so dass die Länder nicht zu Konkurrenten um ausländische Investitionen werden, sondern Synergien nutzen, um ihre globale Wettbewerbsfähigkeit zu steigern?

Wir haben Hunderte von Projekten, bei denen sich unsere grenzüberschreitende Zusammenarbeit auszahlt. Lassen Sie uns diese fortsetzen. Der Schlüssel ist eine offene Kommunikation und Koordination, und sowohl ich als auch die Mitarbeiter des Ministeriums arbeiten aktiv daran.

Wie wollen Sie ausländische Investoren motivieren, auch Teile ihrer Forschung und Entwicklung nach Tschechien zu verlagern, nicht nur die Produktion?

Wir haben ein neues, effektiveres System von Investitionsanreizen geschaffen, das auf strategische Projekte mit hohem Mehrwert ausgerichtet ist. Ein wichtiger Schritt besteht darin, für geeignete Standorte zu sorgen, an denen es in Tschechien heute oft mangelt. Deshalb haben wir die Staatliche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (SIRS) gegründet, die sich auf die Vorbereitung großer strategischer Standorte und die Revitalisierung von Industriebrachen konzentriert. Diese zu 100 % in Staatsbesitz befindliche Aktiengesellschaft wird Standorte für Projekte wie die Chipfertigung, die Batterieproduktion und erneuerbare Energien bereitstellen. Unser Ziel ist es, die Wettbewerbsfähigkeit des Landes systematisch auszubauen und Bedingungen zu schaffen, die die Umsetzung innovativer Projekte, einschließlich Forschung und Entwicklung, ermöglichen.
Dass wir ein interessantes Land für ausländische Großinvestoren sind, zeigt zum Beispiel die Entscheidung von „onsemi“, in unserem Land zu investieren. Diese Investition wird zu den Bemühungen der gesamten EU beitragen, ihre Autarkie in der Chipproduktion zu stärken, was im Übrigen das Ziel des Europäischen Chipgesetzes ist, zu dem die Tschechische Republik während ihrer EU-Ratspräsidentschaft einen wichtigen Beitrag geleistet hat.

Wie könnte die Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer Sie bei der Transformation weiter unterstützen?
In der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer sind große Unternehmen mit Verbindungen nach Deutschland zusammengeschlossen. Ihre Muttergesellschaften haben oft Erfahrung mit der Transformation. Der Transfer dieser Erfahrungen könnte für uns von großem Nutzen sein. So setzt sich die Kammer auch seit langem für die Entwicklung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern ein, indem sie hervorragende und erfolgreiche Treffen der im deutsch-tschechischen Handel tätigen Unternehmen mit Vertretern der tschechischen und der deutschen Staatsverwaltung organisiert. Solche Veranstaltungen eröffnen einen Raum für den Austausch von Informationen und Erfahrungen auf politischer und fachlicher Ebene . Das sollte unbedingt fortgesetzt werden sollte, und zwar mit Veranstaltungen, die sich auf bestimmte Sektoren oder Themen konzentrieren.

Interview: Christian Rühmkorf
Foto: Jaromír Zubák, vlada.cz, MPO

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