Autoland Tschechien sorgt sich um Wettbewerbsfähigkeit
Von Gerit Schulze | Germany Trade & Invest
Die enge Verzahnung der tschechischen Autoindustrie mit Deutschland bereitet der Branche derzeit große Sorgen. Immer weniger Werke sind ausgelastet, Entlassungen sind die Folge.
Markttrends
Die tschechische Fahrzeugindustrie erzielte 2024 einen historischen Höchstwert. Doch die Vorzeichen für eine Krise verstärken sich, immer mehr Zulieferer schließen ihre Werke.
Tschechien bleibt ein Autoland. Sowohl bei den Neuzulassungen als auch bei der Produktion stiegen die Volumina 2024 deutlich. Die gestiegene Kaufkraft und sinkende Zinsen verbessern die Konsumlaune und sorgten bei den Neuwagenverkäufen für einen Zuwachs um 5 %. Ob sich dieser Trend 2025 fortsetzt, bleibt abzuwarten. In den ersten beiden Monaten 2025 sank die Zahl der Neuzulassungen um 4 % gegenüber der Vorjahresperiode. Laut Experten besteht aber immer noch eine aufgestaute Nachfrage aus den Vorjahren. PricewaterhouseCoopers (PwC) rechnet für 2025 mit einem Neuwagenabsatz von 225.000 bis 240.000 Pkw.

Rekordproduktion trotz vieler Herausforderungen
Tschechiens Fahrzeughersteller konnten ihre Produktion 2024 überraschend um 4 % ausweiten. Obwohl die Herausforderungen auf den wichtigsten Absatzmärkten groß sind, bedeuteten 1,45 Millionen Pkw einen historischen Rekord für das Land. Daran anzuknüpfen dürfte aber schwer sein. Denn schon im Schlussquartal lagen die Produktionszahlen deutlich unter dem Vorjahreswert. Im Januar 2025 betrug das Minus sogar 14 % im Vergleich zum Vorjahresmonat.
Die erwarteten Zollerhöhungen der USA für EU-Autos treffen die Industrie nur mittelbar, denn auf dem weltgrößten Absatzmarkt werden bislang kaum tschechische Autos verkauft (Exportwert 2024: 2,4 Millionen Euro). Allerdings dürften viele Zulieferer unter den Zöllen leiden, die für deutsche Premiumhersteller wie Porsche oder Mercedes-Benz produzieren.
Die Autohersteller im Land bereiten sich darauf vor, mehr Elektroautos zu verkaufen, um die strengeren EU-Grenzwerte für den CO2-Ausstoß einzuhalten. Bei Toyota im Werk Kolín entfiel bereits 2024 die Hälfte der Produktion auf das Hybrid-Modell Yaris. Škoda Auto produziert seit Januar 2025 das neue vollelektrische Kompakt-SUV Elroq am Firmensitz Mladá Boleslav. Täglich sollen dort 600 Einheiten vom Band laufen. Dafür wurde die Produktion des Octavia teilweise in das Werk Kvasiny verlegt.
Ab 2026 bringt Škoda mit dem Crossover-SUV Epiq ein drittes Elektromodell auf den Markt. Nach Firmenangaben ist die Produktionslinie in Mladá Boleslav die einzige innerhalb des Volkswagen-Konzerns, auf der gleichzeitig Verbrennerautos und Elektroautos gefertigt werden können.
Neues Elektroauto erreicht Preisparität mit Verbrennern
Mit dem Elroq verbindet Škoda Auto große Hoffnungen, weil er in vielen Märkten in Preisparität zum Verbrennermodell Karoq angeboten wird. Das kostet laut dem Hersteller zwar Marge, sorgt aber dafür, dass ein Elektroauto nun preislich mit Benzinermodellen mithalten kann. Das könnte die Verkaufszahlen beflügeln. Zwischen der Präsentation im Oktober 2024 und Jahresende 2024 gingen bei Škoda bereits 20.000 Vorbestellungen für den Elroq ein.
Dennoch dürfte es für Tschechiens Autoindustrie schwer werden, 2025 die Rekorde des Vorjahres zu wiederholen. Die Hyundai-Fabrik in Nošovice hat seit Jahresbeginn die Produktion gedrosselt. Im Februar 2025 wurden die Bänder an zwei Tagen ganz angehalten. Außerdem wurden 100 Beschäftigte entlassen. Damit reagiert der Hersteller auf die sinkende Nachfrage.
Zulieferer bauen Stellen ab
Auch im Zulieferbereich berichten immer mehr Unternehmen über Stellenkürzungen oder gar Werksschließungen. Sie leiden vor allem unter der geringeren Nachfrage der deutschen Automobilindustrie. Der Autositzhersteller Adient will zwei Werke in Tschechien schließen und 1.100 Beschäftigte entlassen. In Prag stellt der Reifenhersteller Mitas nach über 90 Jahren seine Produktion ein. Die Fabrik ist nach Angaben der japanischen Muttergesellschaft ineffizient und technisch veraltet.
Eine Studie des Internationalen Währungsfonds (IMF) von Oktober 2024 zeigte die Gefahren auf, die Tschechien durch den Technologiewandel in der Antriebstechnologie drohen. Demnach werde die Wirtschaftsleistung in den kommenden fünf Jahren um etwa 1,5 % schrumpfen, weil die Nachfrage nach lokal produzierten Komponenten für Verbrennerautos abnimmt. Da Elektrofahrzeuge weniger mechanische Teile benötigen, wird die Nachfrage nach Komponenten aus Tschechien sinken. Außerdem könnten chinesische Hersteller den Marktanteil tschechischer Autobauer nach unten drücken, heißt es in dem Arbeitspapier. Der IMF empfiehlt Prag, Direktinvestitionen aus China für die Produktion von Elektroautos anzulocken. Außerdem sollte das Land mehr in Forschung und Entwicklung investieren und die Arbeitskräfte auf Zukunftsbranchen umschulen.
Relativ wenig Gefahren drohen den tschechischen Fahrzeugherstellern durch die angedrohten Zollerhöhungen von Donald Trump. Die USA spielen als Absatzmarkt bislang kaum eine Rolle. Der Wert der Pkw-Ausfuhren betrug 2023 lediglich 4,2 Millionen Euro, im Jahre 2024 nur 2,4 Millionen Euro. Die wichtigsten Absatzmärkte liegen in Europa, und die Zukunftsmärkte sind eher asiatische Länder wie Indien oder Vietnam.
Deutsche Premiummarken verlieren Marktanteile
An der Marke Škoda kommt in Tschechien niemand vorbei. Die einheimische VW-Tochter kam 2024 bei den Neuzulassungen auf einen Marktanteil von 34 %. Das waren 1,3 Prozentpunkte weniger als im Jahr zuvor. Zusammen mit seinen sieben weiteren Pkw-Marken dominiert der Volkswagen-Konzern bislang das Neuwagengeschäft im Nachbarland. Allerdings verbuchten die Konzernmarken Seat und Volkswagen 2024 die größten Rückgänge bei den Verkaufszahlen. Auch Mercedes-Benz, BMW und Kia verloren Marktanteile aufgrund gesunkener Absätze. Überdurchschnittlich zugelegt haben dagegen Tesla, Volvo, Toyota, Dacia und MG.
Die mit weitem Abstand beliebteste Fahrzeugklasse in Tschechien sind SUV. Sie kamen 2024 auf einen Marktanteil von 48 % bei den Neuwagenverkäufen. Dahinter folgt die untere Mittelklasse, zu der der Škoda Oktavia gehört, mit 16 % Marktanteil. Dabei ist zu berücksichtigen, dass drei Viertel der Neuwagen auf Firmen zugelassen werden.
Dominierender Treibstoff bei neu zugelassenen Fahrzeugen war Benzin (66 %) vor Diesel (25 %) und reinen Batterieautos (5 %).
E-Mobility

Tschechien erlebte 2024 einen unerwarteten Aufschwung beim Verkauf von Elektroautos. Doch der Trend könnte schon 2025 wieder vorbei sein, weil das Förderprogramm ausgelaufen ist. Tschechien erlebte 2024 einen unerwarteten Aufschwung beim Verkauf von Elektroautos. Doch der Trend könnte schon 2025 wieder vorbei sein, weil das Förderprogramm ausgelaufen ist.
Noch 2023 gehörte Tschechien zu Europas Schlusslichtern beim Verkauf von Elektroautos. Ein Förderprogramm der Regierung sorgte 2024 für eine Trendumkehr. Der Absatz von batteriebetriebenen Fahrzeugen wuchs gegenüber dem Vorjahr um fast zwei Drittel auf knapp 11.000 Pkw. Bei leichten Nutzfahrzeugen stiegen die Neuzulassungen um 76 % auf 622 Einheiten.
Grund war ein Förderprogramm, das die Regierung im März 2024 startete. Mit EU-Mitteln aus dem Nationalen Wiederaufbauplan bekamen Unternehmen bei der Anschaffung eines Elektroautos bis zu 12.000 Euro Zuschuss. Außerdem wurde der Bau von Ladesäulen subventioniert. Der mit 80 Millionen Euro ausgestattete Projekttopf war schon Ende Oktober 2024 ausgeschöpft. Bis dahin wurden rund 5.900 Förderanträge für den Kauf eines elektrischen Firmenwagens gestellt. Das entspricht der Hälfte des Gesamtmarktes für 2024.
Kaum Kaufanreize für Käufer von Elektroautos
Die Regierung plant vorerst nicht, das Programm zu verlängern. Daher dürfte der Markt für Elektrofahrzeuge 2025 langsamer wachsen oder gar schrumpfen. Von Privatkunden sind angesichts fehlender Kaufanreize keine Impulse zu erwarten. Die wenigen Vorteile – wie die gebührenfreie Nutzung der Autobahnen oder kostenloses Parken im Stadtzentrum von Prag – stehen auf dem Prüfstand.
Rückenwind für die Technologie gibt es jedoch auf der Anbieterseite. Škoda verkauft mit dem Kompakt-SUV Elroq seit diesem Jahr erstmals ein vollelektrisches Auto, das ähnlich viel kostet wie das Verbrennerpendant. Ab 2026 bringt der einheimische Hersteller mit dem Crossover-SUV Epiq ein noch günstigeres Batteriemodell auf den Markt, das rund 25.000 Euro kosten und eine Reichweite von 400 Kilometern haben soll.
Der Standort Mladá Boleslav entwickelt sich für die Volkswagen-Gruppe immer mehr zu einem Schwerpunkt der Elektromobilität. Dort wurden 2024 rund 227.000 Traktionsbatterien für die Elektroautos des Konzerns hergestellt. Außerdem knapp 54.000 Batterien für Plug-in-Hybride.
Nur ein Zehntel der Fahrzeugproduktion mit Batterieantrieb
Trotz dieser guten Zahlen sank die Produktion von Elektroautos und Pkw mit Plug-in-Hybridantrieb in Tschechien 2024 um 16 %. Die rund 150.000 Fahrzeuge bedeuteten einen Anteil von lediglich 10 % an der Gesamtproduktion. Zwei Drittel davon produzierte Škoda Auto, ein Drittel Hyundai.
Auf dem Neuwagenmarkt bleibt der Anteil der Elektromobilität trotz der hohen Zuwachsraten 2024 niedrig. Die knapp 11.000 neu zugelassenen Pkw mit Batterieantrieb entsprachen einem Marktanteil von unter 5 %, womit Tschechien zu den Schlusslichtern in Europa zählt. Der EU-Durchschnitt lag 2024 bei 14 %.
Außerdem zeigen die Zulassungszahlen für die ersten beiden Monate 2025, dass Tesla auch in Tschechien massiv an Popularität verloren hat.

Zu wenig ultraschnelle Ladepunkte
Die starken Vorbehalte gegenüber der neuen Antriebstechnologie rühren in Tschechien auch daher, dass die Ladeinfrastruktur nicht flächendeckend vorhanden ist. Zwar gibt es in den Großstädten und entlang der wichtigen Autobahnen genügend Ladesäulen. Häufig haben diese aber nur eine Leistung von maximal 50 Kilowatt. Ultraschnelllader von 150 Kilowatt und mehr sind noch selten.
Ende 2024 gab es laut tschechischem Industrieministerium 2.835 Ladestationen mit über 5.000 Ladepunkten. Auf sie kommen zurzeit rund 31.000 zugelassene Batterieautos und 21.000 Plug-in-Hybride. Weniger als 300 Standorte boten die Möglichkeit des Ultraschnellladens an.
Für die Betreiber von Ladesäulen ist das Geschäft herausfordernd. Sie investieren zwar kräftig in den Ausbau des Netzes, doch die Nutzung bleibt unter den Erwartungen.
ČEZ will die Zahl seiner Ladepunkte 2025 von derzeit rund 820 auf über 1.000 erhöhen. Der Schwerpunkt soll auf Ultraschnellladern liegen. Auch PRE will dieses Jahr die Ladeleistung bestehender Standorte erhöhen. Der Mineralölkonzern Orlen Unipetrol plant den Ausbau seiner Standorte von bislang 100 Ladestationen auf 1.800 im Jahr 2030. E.on kündigte für 2025 eine erste Ladestation für Elektrotrucks an. Zurzeit sind in Tschechien weniger als 30 Batterie-Lkw mit einer Gesamtmasse von mehr als 12 Tonnen registriert.
Branchenstruktur
Neben drei großen Autobauern sind rund 900 Zulieferer in Tschechien tätig. Sie sind eng mit dem EU-Markt verbunden und haben derzeit nur wenig Spielraum für neue Investitionen.
Die Fahrzeugindustrie ist Tschechiens wichtigste Wirtschaftsbranche. Laut Automobilverband AutoSAP entfallen 9 % des Bruttoinlandsproduktes und ein Viertel aller Exporte auf den Automobilsektor. Mit Škoda Auto (Volkswagen), Hyundai und Toyota produzieren drei Weltkonzerne Pkw in Tschechien. Außerdem haben sich wichtige Original Equipment Manufacturers (OEM) wie Bosch, Continental oder Brose sowie leistungsfähige Zulieferer angesiedelt. Darüber hinaus gibt es namhafte Produzenten von Lkw, Bussen und Motorrädern.
Erstmals seit vier Jahren ist der Produktionsindex der Branche 2024 kalenderbereinigt gesunken. Das Statistikamt ermittelte bis November 2024 einen Rückgang um 1,5 %. Auch der Wert der Neuaufträge legte mit knapp 6 % so langsam zu wie seit 2020 nicht mehr. Auf dem Heimatmarkt wächst das Ordervolumen nur halb so stark wie bei ausländischen Kunden.

Europa ist der wichtigste Absatzmarkt
Ungeachtet der schwachen Marktentwicklung in Europa erreichte Tschechiens Autoproduktion 2024 den Rekordwert von 1,45 Millionen Pkw. Das erstaunte, da die EU der wichtigste Absatzmarkt ist und dort die Neuzulassungen kaum gewachsen sind.
Über 70 % der Pkw-Exporte gingen 2023 in die EU. Weitere 15 % verkauften die drei Hersteller im Vereinigten Königreich, in der Schweiz und in Norwegen. Märkte in Übersee spielen bislang nur eine Nebenrolle. Insofern kann Tschechien relativ entspannt auf die Entwicklungen in China und den USA blicken. Allerdings sind die Zuwachsraten in Asien (von einem niedrigen Niveau ausgehend) besonders hoch. Der Absatz in Vietnam zum Beispiel hatte sich 2023 gegenüber dem Vorjahr verzwanzigfacht (auf 6 Millionen Euro). In Indien stieg der Wert der tschechischen Pkw-Verkäufe um fast 850 %.
Auch Škoda muss Stellen abbauen
Škoda Auto ist der führende Fahrzeughersteller im Land. Nach Angaben von AutoSAP produzierte die Volkswagen-Tochter 2024 in Tschechien knapp 900.000 Fahrzeuge. Neben Pkw liefen am Stammsitz Mladá Boleslav auch 500.000 Motoren sowie 355.000 manuelle Getriebe vom Band. Außerdem werden dort Batterien für Elektrofahrzeuge des Konzerns montiert. Am Standort Vrchlabí produzierte Škoda Auto über 700.000 Automatikgetriebe. Das gute Jahr 2024 täuscht nicht darüber hinweg, dass auch der größte Autohersteller im Land Überkapazitäten hat. Bis 2028 sollen dort laut Medienberichten 1.200 Stellen abgebaut werden.

Nach zwei Jahren Wachstum in Folge ging die Produktion bei Hyundai in Nošovice leicht zurück. Das Werk hatte früh den Technologiewandel zu Batterieautos und Plug-in-Hybriden in Angriff genommen. Bis 2030 soll sich der Anteil der dort produzierten Elektroautos auf 70 % erhöhen. Doch die schwache Nachfrage in Europa sorgte 2024 für negative Zahlen.
Bei Toyota im Werk Kolín stiegen die Produktionszahlen auf den höchsten Stand seit der Coronapandemie. Die Lieferprobleme bei Subunternehmen scheinen vorerst überwunden zu sein.
Der Großteil der Umsätze in der tschechischen Kfz-Industrie entsteht in Unternehmen unter ausländischer Kontrolle. Dutzende der weltweit wichtigsten TIER-1-Unternehmen und Hunderte von Zulieferfirmen fertigen im Land. Die umsatzstärksten sind Continental, Bosch, Mobis und Faurecia. Aktuell zeichnet sich eine Abkühlung in Tschechiens Vorzeigebranche ab. Der Chef des Branchenverbands AutoSAP, Zdeněk Petzl, erklärte, dass die drei großen deutschen Automobilkonzerne derzeit nur schwach ausgelastet sind und sich das direkt auf die tschechischen Zulieferer auswirke. Erste Werke wurden geschlossen, viele Fabriken wollen Personal entlassen.
Hoher Bedarf an Komponenten
Das Rekordjahr 2024 bei der Fahrzeugproduktion führte auch zu wachsendem Bedarf an Kfz-Teilen. Im Zeitraum Januar bis September 2024 legten die Importe laut Eurostat gegenüber dem Vorjahreszeitraum um knapp 5 % auf 13,9 Milliarden Euro zu. Deutschland blieb mit einem Anteil von 35 % des Lieferwertes das mit Abstand wichtigste Herkunftsland, verlor aber Marktanteile. Dahinter folgten Polen, die Slowakei und Südkorea.
Nur wenig Neuinvestitionen
Anders als in der Vergangenheit gibt es kaum Direktinvestitionen in neue Zulieferbetriebe. Die Unternehmen optimieren allerdings ihre Produktionsanlagen und versuchen vor allem, die Energiekosten zu senken.