Deutsche Unternehmen investieren in ihre tschechischen Werke

Perspektiven für ausländische Direktinvestitionen & Praxischeck

Internationale Investoren spielen in Tschechien eine wichtige Rolle. Die Faktoren Industrietradition, Stabilität und logistische Premiumlage ziehen weiterhin. Grenzen setzt der Arbeitsmarkt.

Tschechien bleibt für Investoren interessant. Sie modernisieren und erweitern ihre Werke. Kommerzielle Immobilien sind gefragt. Kauf- und Fusionschancen bietet der Tech-Sektor.
Russlands hybrider Krieg mit seinen Folgen hat auch in der Tschechischen Republik die Aussichten verdüstert. Deshalb hat die Regierung ihre Prognose nach unten revidiert und rechnet 2023 mit einer milden Rezession. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) soll real um 0,2 % zurückgehen. Die Europäische Kommission hält ein hauchdünnes Plus von 0,1 % für möglich.

Hohe Wertschöpfung durch ausländische Investoren

Der Binnenmarkt ist mit 10,5 Millionen Einwohnern eher klein. Doch hat das Lebensniveau gemessen als BIP pro Kopf in Kaufkraftparitäten bereits 92 % des EU-Durchschnitts erreicht. Es liegt damit vor den anderen Visegrád-Staaten Polen, Ungarn und Slowakei, auch vor Spanien oder Portugal. Viele Investoren kamen und kommen wegen der langen Industrietradition. Tschechiens Industrialisierungsgrad ist der zweithöchste in der EU, wobei 69 % der industriellen Umsätze und 59 % der Wertschöpfung aus den Niederlassungen ausländischer Investoren stammen. Dominierende Branche ist die Automobilindustrie – in einer breit diversifizierten Wirtschaftsstruktur.

Als Stärken des Investitionsstandorts schätzen gerade deutsche Firmen seit Jahren: die EU-Mitgliedschaft, die Produktivität der Arbeitskräfte, die Qualität des lokalen Zulieferernetzes, die akademische Bildung und die Zahlungsmoral, wie die alljährliche Konjunkturumfrage der AHK Tschechien immer wieder zeigt. Diese Punkte gewinnen mit Blick auf Krieg, geopolitische Unsicherheiten und brüchige Lieferketten weiter an Bedeutung.

Als Schwäche erwies sich nach dem russischen Angriff auf die Ukraine die ausgeprägte Importabhängigkeit von Energieträgern aus Russland. Tschechien begegnet dieser Abhängigkeit mit regen Diversifizierungs- und Einsparaktivitäten. Doch bedrohen die hohen Strom- und Gaspreise besonders energieintensive Unternehmen und beeinträchtigen ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Herstellern in Asien oder den USA.

Nachbarländer erfolgreicher bei Großansiedlungen

Da praktisch Vollbeschäftigung herrscht und Fachkräfte rar sind, hat Tschechien in den vergangenen Jahren kaum noch große Neuansiedlungen gewinnen können – anders als nahe Wettbewerber wie Deutschland, Polen, Ungarn oder die Slowakei. Ein Plus bleibt jedoch die logistische Premiumlage in der Mitte Europas mit der über 800 Kilometer langen Grenze zu Deutschland als größtem Markt. Produzenten streben von Tschechien aus in den europäischen Markt mit seinen neuen Bedürfnissen auf dem Weg zur Klimaneutralität. Tschechische Zulieferer können vom Trend zur Diversifizierung oder Verkürzung der Lieferketten profitieren, der Stabilität, geografische Nähe und Nachhaltigkeit sucht.
Wer sich einmal angesiedelt hat, der entwickelt seine Niederlassungen. Reinvestitionen dominieren inzwischen das Bild ausländischer Direktinvestitionen. Dabei geht es stark um Automatisierung, Werkserweiterungen oder den Aufbau von Forschungs- und Entwicklungsabteilungen.
Panasonic erweitert in Plzeň bis 2026 für rund 145 Millionen Euro sein Werk für Wärmepumpen, sodass keine Geräte mehr aus Malaysia kommen werden. Die Niederlassung der amerikanischen Ball Corporation startete 2022 mit dem Bau einer hochautomatisierten Fabrik für recycelbare Getränkealuminiumverpackungen im Panattoni Pilsen Digital Park, die 170 Millionen Euro kosten wird.
Der Markt für Industrieimmobilien boomt – auch aufgrund der wachsenden Nachfrage durch Versand- und Kontraktlogistik. Laut Immobilienberatungsgesellschaft Cushman & Wakefield kamen 2022 mit über 1,1 Millionen Quadratmetern in Tschechien so viele neue Flächen hinzu wie nie zuvor. Dennoch sank die Leerstandrate im 2. Quartal auf historisch niedrige 1,5 %. Bei den Büroimmobilien betrug der Leerstand 8,4 %.

Töchter deutscher Firmen führen bei Umsatz und Wertschöpfung

Der tschechischen Notenbank ČNB zufolge sind 2021 fast 4,9 Milliarden Euro an Direktinvestitionen ins Land geflossen. Das war erheblich weniger als im Schnitt der fünf Jahre zuvor mit jährlich 8,8 Milliarden Euro. Am Bestand ausländischer Direktinvestitionen, der Ende 2020 rund 159 Milliarden Euro betrug, hielten deutsche Unternehmen 15 %. Sie stehen damit an dritter Stelle nach den Niederlanden und Luxemburg. Geht es aber um die Zahl der Niederlassungen und Beschäftigten, um Umsätze und Wertschöpfung, so sind deutsche Unternehmen die mit Abstand wichtigsten ausländischen Investoren.
Generell hat sich die Investitionsstimmung 2021 gebessert, auch da im ersten Pandemieschock zurückgestellte Vorhaben wieder auf die Tagesordnung rückten. So betreute die staatliche Förderagentur CzechInvest 53 Projekte in- und ausländischer Investoren. Das waren doppelt so viele wie 2020. Zu drei Vierteln handelte es sich um bereits ansässige Firmen. Neue Investoren kamen vor allem aus den USA und Deutschland.
Mehrheitlich geht es inzwischen um Projekte mit hoher Wertschöpfung, die technologieorientiert oder mit Forschung und Entwicklung verbunden sind. Zu ihnen zählt die amerikanische Gesellschaft Onsemi, die ihre Produktion von Siliziumkarbid-Chips im Osten Tschechiens erweitert.

Internationale Anleger auf Einkaufstour

Bei den Fusionen und Käufen (M&A) kam nach einer ersten Lähmung durch die Pandemie wieder starke Bewegung auf. Laut dem Emerging Europe M&A Report der Steuerberatungsgesellschaft CMS wurden 2021 in Tschechien 110 Transaktionen angekündigt, die sich auf gut 13 Milliarden Euro summieren könnten.
Zu den größten Deals zählte die im September 2022 abgeschlossene Fusion des tschechischen Sicherheitssoftware-Herstellers Avast mit der amerikanischen NortonLifeLock, die CMS mit über 7 Milliarden Euro an die Spitze der Top 10 der gesamten Region stellte. Auf Rang 5 folgte der Einstieg des Investitionsfonds CIG (Singapur) beim tschechischen Kommunikationsnetzbetreiber CETIN. Es gibt auch viele weniger spektakuläre Abschlüsse, da manch kleines oder mittleres Unternehmen, das nach der Wende entstanden war, in Ermangelung eines Erben Käufer sucht.

Weniger staatliche Förderung seit Gesetzesnovelle

Trotz steigender Arbeitskosten ist die Gewinnquote der Nicht-Finanz-Kapitalgesellschaften in Tschechien 2021 leicht gestiegen. Sie liegt bezogen auf die Bruttowertschöpfung deutlich über dem Durchschnitt der EU. Tschechische Niederlassungen führen hohe Dividenden an die ausländischen Muttergesellschaften ab, reinvestieren aber auch erhebliche Summen. Im ersten Coronajahr 2020 flossen laut der ČNB umgerechnet 9,2 Milliarden Euro an Dividenden außer Land und 6,2 Milliarden Euro wurden von ausländischen Investoren reinvestiert.
Anders als früher werden ausländische und inländische Investitionsprojekte kaum noch staatlich gefördert. Der Bruch kam mit der Novelle des Gesetzes über Investitionsanreize, die im September 2019 in Kraft trat. Seither muss jedes Projekt, das solche Beihilfen beantragt, von der Regierung genehmigt werden, was zuvor nur bei strategischen Vorhaben der Fall war. Das zieht die Prozesse nach Aussagen von Beratungsfirmen in die Länge, macht sie intransparenter und weniger planbar. „In Realität heißt das, dass Projekte in anderen Ländern landen, wo Regierungen in der Lage sind, rechtzeitig verbindliche Zusagen zu machen und attraktiver sind“, fürchtet Jan Linhart, Mitglied des Lenkungsausschusses der Vereinigung für ausländische Investitionen AFI, die Investoren berät.
Die Regierung bewilligte 2021 nur für 14 Projekte Investitionsbeihilfen. Das waren so wenige wie zuletzt 2010 nach der Weltfinanzkrise. Auch die neue liberal-konservative Regierung, die seit Ende 2021 im Amt ist, schien mit Blick auf die niedrige Arbeitslosigkeit, die Nöte des Staatshaushalts und die alles überschattende Energiekrise zunächst andere Prioritäten zu haben. In den ersten zehn Monaten 2022 erhielt gerade einmal ein Projekt den Zuschlag. Doch letztlich werden die Resultate für das Gesamtjahr erst Mitte 2023 feststehen. Zudem wurde im Herbst 2022 eine erneute Novelle des Investitionsanreizgesetzes vorbereitet. Ein Vorschlag ist, die Regierung nur noch bei strategischen Projekten einzuschalten und die Gewährung ansonsten wieder in die Hände des Ministeriums für Industrie und Handel zu legen.

Defizite bei beruflicher Bildung und Arbeitskräftemangel

Geht es nach der Umfrage, die die AHK Tschechien Ende 2021 unter deutschen Investoren im Land durchführte, wünschen sich fast drei Viertel der Unternehmen von der Regierung unter Ministerpräsident Petr Fiala eine Stärkung der beruflichen Bildung. Sie plädieren dabei für die Einführung eines praxisorientierten dualen Systems, bei dem die Auszubildenden einen Großteil ihrer Ausbildung mit den neuesten Technologien direkt im Unternehmen absolvieren. „Bisher haben aber nie alle Player an einem Strang gezogen, hat jede Initiative zur Dualen Ausbildung es versäumt, alle politischen Entscheidungsebenen rechtzeitig einzubinden”, bedauert Bernard Bauer, geschäftsführender Vorstand der AHK Tschechien, die sich seit 20 Jahren für die Wiedereinführung der dualen Ausbildung einsetzt.
Jedes zweite Unternehmen sieht prioritären Handlungsbedarf bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung, dem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und der weiteren Öffnung des Arbeitsmarktes für ausländische Fachkräfte. Hingegen scheint ein Ausbau der staatlichen Investitionsförderung den Unternehmen eher zweitrangig. „Was wir brauchen, sind modernste und flexible Rahmenbedingungen in den klassischen Bereichen Bildungswesen, Verwaltung, Infrastruktur und Arbeitsmarkt, die auch den aktuellen technologischen Stand abbilden”, so Milan Šlachta, Präsident der AHK Tschchien und Chef der Bosch-Gruppe in Tschechien und der Slowakei.

Lokale Abwehr bei einigen neuen Projekten

Da der tschechische Arbeitsmarkt kaum noch Reserven bietet, sind die meisten Sektoren auf Arbeitskräfte aus Drittländern angewiesen. Von der notwendigen Integrationsleistung und den Problemen, die sich gerade in Krisen bei der Entlassung solcher Leiharbeiter zeigten, fühlen sich manche Gemeinden inzwischen überfordert. Auch spielen Umweltaspekte, etwa der Grundwasserspiegel und die Verkehrsbelastung, eine größere Rolle. Neuen Projekten in Logistik und verarbeitender Industrie wird nicht mehr überall ein roter Teppich ausgerollt. Im Vorfeld der möglichen Investitionsentscheidung über ein Batteriewerk von Volkswagen in der Region Pilsen regte sich beispielsweise Widerstand in Gemeinden nahe des potenziellen Geländes. Bürgermeister und Anwohner wollen besser informiert und mit ins Boot geholt werden.
Mit Blick auf solche Großprojekte in strategisch angestrebten Bereichen wie Batteriezellen oder Halbleiter macht sich auch ein Mangel an passenden Industriezonen bemerkbar. Hinzu kommen lange Baugenehmigungsfristen, die die Planbarkeit von Projekten beeinträchtigen.

Tschechien hat starke Wettbewerber

Der Global Competitiveness-Report des World Economic Forum (WEF) betrachtete 2020 wichtige Transformationsaspekte in 37 Ländern auf dem Weg aus der Coronakrise hin zu einer zukunftsfähigen Wirtschaft. Unter den mittel- und osteuropäischen Ländern lag die Tschechische Republik in den meisten untersuchten Kriterien von der Bewertung her hinter dem Vorreiter Estland, aber vor den anderen Visegrád-Staaten. Nur mit Blick auf die Modernisierung der Infrastruktur waren Ungarn und Polen besser bewertet. Polen überholte Tschechien auch bei den Anreizen für langfristige Investitionen und der Überarbeitung des Wettbewerbs- und Kartellrechts für die Industrie 4.0.

Weitere Wirtschafts- und Brancheninformationen von Germany Trade & Invest zu Tschechien finden Sie unter www.gtai.de/Tschechien

Text: Miriam Neubert, Germany Trade & Invest

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