Tschechien gibt mehr Geld für Verteidigung aus 

Tschechien erhöht in den kommenden Jahren schrittweise die Verteidigungsausgaben. Es setzt dabei auf seine leistungsstarke Rüstungsindustrie sowie auf Kooperationen und Importe. 

Vor dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine lagen die tschechischen Verteidigungsausgaben zwei Jahrzehnte lang unter 2 % des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Erst 2024 wurde dieser Wert erstmals seit 20 Jahren wieder erreicht. Laut einer Studie der Unternehmensberatung EY hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten eine Ausgabenlücke von 36 Milliarden Euro angehäuft. 

Bis 2030 strebt die Regierung eine jährliche Erhöhung des Wehretats um 0,2 % des BIP an. Für 2026 sind umgerechnet rund 7,2 Milliarden Euro eingeplant. Ausgaben, die 2 % des BIP überschreiten, sollen künftig nicht mehr auf das Haushaltsdefizit angerechnet werden. 

Mit Präsident Petr Pavel steht der ehemalige Vorsitzende des Militärausschusses der North Atlantic Treaty Organization (NATO) an der Spitze des Staates. Der frühere General plädiert für eine aktivere Rolle Tschechiens innerhalb der NATO und hält eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf bis zu 5 % des BIP für nötig. Davon sollen 1,5 Prozentpunkte in sicherheitsrelevante Infrastruktur wie Logistik, Gesundheitswesen und Verkehr fließen. 

Tschechiens Rüstungsindustrie ist stark bei Militärfahrzeugen, Schusswaffen, Munition und Radartechnologie. Auch Übungsflugzeuge für den Kampfeinsatz produziert die Branche. Sie profitiert vom traditionsreichen Maschinenbau und leistungsfähigen Elektrotechnikherstellern im Land. Nach Berechnungen von EY erwirtschaftete die Rüstungsindustrie 2023 einen Umsatz von 3 Milliarden Euro und stand für 1 % der tschechischen Wirtschaftsleistung. Die Rüstungsexporte stiegen seit Beginn des Ukrainekrieges um 350 % auf über 2,1 Milliarden Euro. 

Laut einer aktuellen Studie der Bank Česká spořitelna sind in Tschechien rund 400 Unternehmen in der Rüstungs- und Verteidigungswirtschaft tätig – nahezu alle von ihnen haben eine Exporterlaubnis. 

Viele tschechische Startups beschäftigen sich mit der Entwicklung von Drohnen und autonomen Systemen, mit 3D-Druck, neuen Materialien und Spezialkleidung, Sensorik und Elektronik sowie mit Cybersecurity für das Militär. Die staatliche Investitionsagentur CzechInvest startete im Mai 2025 einen Defence Hub, um Innovationen in den Bereichen Verteidigung und Dual-Use zu beschleunigen. Die Plattform vermittelt tschechische Startups an wichtige Programme der NATO und der EU wie DIANA, den NATO-Innovationsfonds (NIF) und den Europäischen Verteidigungsfonds (EDF). Außerdem berät der Defence Hub in der Frühphase bei der Entwicklung und Skalierung neuer Technologien. 

Quelle │ Zdroj: Konferenzen Defending Europe Together (DET) und 3D-Druck in Europas Verteidigungsindustrie, Messe IDET, Brno 2025 │ Konference Defending Europe Together (DET) a 3D tisk v evropském obranném průmyslu, veletrh IDET, Brno 2025

Allerdings sind die tschechischen Hersteller stark von ausländischen Materialien und Komponenten abhängig. Untersuchungen von EY zusammen mit der Wirtschaftskammer HK ČR zeigen, dass 2024 zwar 96 % aller öffentlichen Rüstungsaufträge an einheimische Unternehmen gingen. Diese betrafen aber weniger als ein Viertel des Gesamtwertes. Bei komplexen und hochwertigen Systemen verdienen häufig ausländische Anbieter. Lobbyverbände sprechen sich daher für mehr industrielle Zusammenarbeit mit befreundeten Staaten und für mehr Forschung im Rüstungssektor aus.

Von den geplanten höheren Verteidigungsausgaben erhofft sich auch die zivile Wirtschaft in Tschechien neue Aufträge und eine Kompensation für wegbrechende Geschäfte. Einige Automobilzulieferer bieten ihre freigewordenen Kapazitäten bereits der Rüstungsindustrie an. Dazu gehören laut Medienberichten Motor Jikov und Koh-i-noor. Der Maschinenbauer PBS Group verzeichnet steigende Aufträge für Motoren von Drohnen- und Raketenherstellern. Auch Meopta, das bislang vor allem auf zivile optische Geräte spezialisiert war, bekommt zunehmend Aufträge der Verteidigungsindustrie. Das Unternehmen soll unter anderem 500 Periskope für gepanzerte Saab-Fahrzeuge liefern, berichtete die Zeitung Hospodářské noviny.

Viele tschechische Rüstungsunternehmen sind seit Jahrzehnten international gut im Geschäft. Die bereits 1936 gegründete Česká zbrojovka aus Mähren ist weltweit bekannt für Pistolen, Sturmgewehre, Maschinenpistolen sowie Jagd- und Sportwaffen. Das Unternehmen übernahm 2021 den US-amerikanischen Waffenhersteller Colt und ist heute Teil der Colt CZ Group.

Größter Rüstungskonzern des Landes ist die Czechoslovak Group (CSG), die in mehreren Schlüsselindustrien aktiv ist: Militärfahrzeuge, Munition, Radar- und Luftverkehrssysteme, elektronische Systeme. Der Konzern lag 2023 laut Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI auf Platz 89 der weltweit größten Waffenhersteller.

Zu der Gruppe gehört auch der tschechische Lkw-Hersteller Tatra Trucks. Dessen Rüstungssparte Tatra Defence Vehicle plant in den kommenden vier Jahren Investitionen von 40 Millionen Euro in die Produktionskapazitäten und will 300 neue Arbeitskräfte einstellen.

Darüber hinaus investiert CSG stark in Innovation und kooperiert bei der digitalen Transformation der Produktion mit Siemens. Über den Geschäftsbereich CSG AI versucht der Konzern, künstliche Intelligenz in Verteidigungs- und Industriesysteme zu integrieren. Die Hubschraubersparte des Konzerns soll im Auftrag von Sikorsky Black Hawk-Helikopter modernisieren.

In Deutschland übernahm CSG 2025 über die slowakische Tochterfirma MSM Group den Industriepark Walsrode (IPW). Dort soll die Produktion von Nitrocellulose ausgeweitet werden, das für die Munitionsproduktion benötigt wird. In den USA kaufte CSG 2023 die Munitionssparte von Vista Outdoor und führt diese als The Kinetic Group weiter. Die Übernahme war die bislang größte tschechische Investition in den USA.

Ein anderes tschechisches Unternehmen, die Investmentgruppe RSBC, stieg 2024 bei der österreichischen Steyr Arms ein, die Schusswaffen für Militär und Polizei sowie Jagd- und Sportwaffen produziert.

Darüber hinaus engagieren sich tschechische Unternehmen teilweise direkt in der Ukraine, um dem angegriffenen Land beim Aufbau der Verteidigungsindustrie zu helfen. Ende 2024 begann Česká zbrojovka dort mit der Lizenzmontage von Sturmgewehren. Sellier & Bellot will Maschinen zur Herstellung von Munition liefern. Die CSG-Gruppe kooperiert mit einem ukrainischen Partner bei der Produktion von 155-Millimeter-Artilleriemunition.

Eine wichtige Rolle spielt der Staatsbetrieb VOP CZ. Er ist spezialisiert auf die Wartung von Militärfahrzeugen und entwickelt eigene Panzerfahrzeuge für die tschechische Armee. Bis Ende 2025 will VOP CZ den Prototypen eines neuen Tankwagens CAP Shadow ausliefern.

Wichtigster Branchenverband ist die Vereinigung der Verteidigungs- und Sicherheitsindustrie AOBP (s. Interview S. xx). Sie hat über 200 Mitglieder, darunter auch einige deutsche Unternehmen.

Größte Branchenschau ist die Rüstungsmesse IDET, die alle zwei Jahre im Mai in Brünn stattfindet.

Außerdem nutzen tschechische Betriebe der Verteidigungswirtschaft gern die Messe IWA OutdoorClassics in Nürnberg zur Präsentation und Kontaktanbahnung. Dort stellten im Frühjahr 2025 rund 50 tschechische Unternehmen ihre Produkte vor.

Auch die Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer will das Thema Sicherheitstechnologien künftig stärker bearbeiten und hilft beim Markteintritt.

Quelle │ Zdroj: Vereinigung der Verteidigungs- und Sicherheitsindustrie AOBP, Handelsregister, Unternehmensmeldungen 2025 │ Sdružení obranného a bezpečnostního průmyslu, obchodní rejstřík, zprávy podniků 2025

Quelle: Tschechisches Verteidigungsministerium

Zdroj: Ministerstvo obrany České republiky

Foto Quellen: PRIMOCO UAV, Colt CZ Group SE

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