Top-Managerin = Rabenmutter?
Uršula Králová, HR-Managerin bei T-Mobile im Interview
Sie ist eine der absoluten Top-Managerinnen im HR-Bereich, hat Erfahrungen mit drei Kontinenten und drei Kindern, von denen Sie zu Hause in Sachen Digitalisierung „reverse Mentoring“ erhält. Uršula Králová kommt ursprünglich aus der Werbe- und Consultingbranche, seit 2012 ist sie bei T-Mobile in Tschechien und der Slowakei verantwortlich für rund 3.000 Mitarbeiter. Auch darüber spricht sie recht offen.
Uršula Králová, HR Management = Change Mangement. Richtig?
Für mich gilt das sicher. Die Zeiten sind sehr dynamisch. In Wirtschaft und Gesellschaft nehmen die Veränderungen exponentiell zu, so dass Menschen in ihrem Leben drei bis vier Berufe ausüben. Wir HR-Experten geben den Mitarbeitern Hilfestellung, damit zurechtzukommen.
Es ist 17.20 Uhr, für Sie beginnt der Feierabend. Was war für Sie heute auf Arbeit die größte Herausforderung?
Heute Vormittag hatte ich eine interessante Diskussion darüber, wie das Umfeld, der Raum, die Arbeitsleistung beeinflussen kann und in welcher Weise wir uns künftig über das Arbeitsumfeld als solches Gedanken machen müssen. Für mich ist das eine echte Herausforderung, denn einerseits stellen wir unseren Mitarbeitern modernste digitale Technologien zur Verfügung wie etwa Cisco-Monitore, aber zugleich haben wir immer noch ganz traditionelle Arbeitsplätze. Natürlich wollen alle Gemeinschaftsräume, Kreativzonen und Hubs, zugleich möchte man seinen Schreibtisch aber auch nicht aufgeben.
Was ist heute wichtiger: die Kreativ-Lounge oder ein ruhiger Arbeitsplatz?
Ich denke, die Menschen brauchen beides. Aber in welchem Verhältnis, in welcher Dimension, das müssen wir in der Zukunft ausloten. Und darum ging es heute in der Diskussion mit Vertretern weiterer Firmen.
Diskutieren Sie darüber auch mit den Mitarbeitern bei T-Mobile?
Sicher müssen wir die Mitarbeiter fragen, was sie wollen und was sie brauchen. In diesem Jahr setzen wir verstärkt die Methode „Design-Thinking“ ein, bei der es um die Bedürfnisse der Kunden geht. Die Kunden des HR-Managers sind die Angestellten. Das heißt, man muss die Dinge mit ihren Augen betrachten und Lösungen finden, die ihnen entgegenkommen.
Uršula Králová – Spitzenmanagerin in einem großen Konzern in zwei Ländern und zugleich Mutter von drei Kindern im Alter von 15, 13 und 7 Jahren. Zwei völlig unterschiedliche Rollen also. Welche der beiden dominiert bei Ihnen?
Ja, ich habe im Grunde zwei „Schichten“. Ich glaube aber nicht, dass eine davon dominiert, sie erfordern nur unterschiedliche Herangehensweisen. Die Mitarbeiter erwarten Entscheidungen, Richtungsvorgaben, Ermunterung. In der Familie muss man den Kindern hingegen häufig Freiheit lassen und ihnen Eigenverantwortung zugestehen. Es sind zum Großteil unterschiedliche Welten…
Die sich miteinander verbinden lassen…
…Ich denke schon. Ich muss mir aber klar darüber sein, was für mich wichtig ist und was nicht. Es gibt bestimmte Erlebnisse, die ich mit meinen Kindern haben möchte, andere wiederum möchte ich auf der Arbeit nicht missen. Da muss man Grenzen ziehen.
Was sagt Ihr Mann zu all dem?
Er ist für mich eine große Stütze.
Das klingt schön, aber wie eine Phrase… Ist er kein Top-Manager?
Doch, ist er. Aber er glaubt, dass es gut ist, wenn ich Dinge mache, die mir Spaß machen und die mich erfüllen…
Trägt er genauso viel zur Familie bei wie Sie?
Das wollte ich sagen. Das bedeutet natürlich nicht immer, dass er genauso viel Arbeit zu Hause erledigt wie ich.
HR bedeutet auch, den Menschen zu helfen, mit Veränderungen klarzukommen, haben Sie gesagt. Sie selbst haben solche Veränderungen geradezu gesucht. Und das gleich zu Anfang Ihrer Karriere, als Sie nach Hongkong gegangen sind, dann Chicago und jetzt Europa. Wie unterscheiden sich die drei Kontinente in den Arbeitsprozessen?
Der markanteste Unterschied besteht im Arbeitseinsatz. In den USA und in Asien hat man zwei Wochen Urlaub im Jahr. Europäer achten hingegen mehr auf die Lebensqualität als solche. Außerdem sind China und Amerika riesige Märkte. Die Ambitionen sind dementsprechend größer.
Wo haben Sie am liebsten gearbeitet?
Sehr gern in Amerika. Wenn dort jemand eine Gelegenheit sieht, dann will er sie ergreifen und Hindernisse überwinden. Fragen Sie in Tschechien jemanden, wie es ihm geht, sagt er: „Ich kann mich nicht beschweren“, statt „Mir geht es gut“. Leider ist unser Mindset hier so, dass vieles erst mal ein Problem ist.
Change Management ist ein Thema gerade für große Firmen. Wie würde aus Ihrer HR-Sicht die ideale Firma in der Telekommunikationsbranche aussehen?
Mitarbeiter sollten stolz auf ihre Firma sein können. Darüber, dass die Firma den Kunden gute Dinge bringt, stabil ist, nicht betrügt. Wichtig ist auch, dass die Angestellten eine vielseitige Arbeit haben, Positionen wechseln können und nicht nur im eigenen Saft schmoren, dass sie gut verdienen, wenn sie viel beitragen. Und das Arbeitsklima sollte eigene Entscheidungen und gute Zusammenarbeit zulassen.
Wie weit ist T-Mobile davon entfernt?
Ich würde sagen, wir sind auf halbem Weg dorthin. Wir können noch stärker kundenorientiert sein, den Leuten mehr Selbständigkeit, mehr Vertrauen geben.
Wieviel Freiheit und Verantwortung soll man den Mitarbeitern geben? Sie haben rund 3.000 Beschäftigte unter sich…
Wir entscheiden im Team, welches die Prioritäten für das Jahr sein sollen und welche großen Veränderungen wir vornehmen wollen – und bei diesen wichtigen Diskussionen möchte ich dabei sein. Dann gibt es aber auch weniger Grundlegendes, und da arbeiten die Leute nach eigenem Ermessen.
Wie hat sich die Arbeit einer HR-Managerin in den vergangenen fünf Jahren verändert? Und was sind heute die größten Themen?
Vor vier, fünf Jahren waren die wirtschaftliche Rezession und die relativ hohe Arbeitslosigkeit die Hauptthemen. Es wurde entlassen und gekürzt. Mittlerweile geht es darum, ein möglichst attraktiver Arbeitgeber zu sein.
Wo hat T-Mobile die größten Probleme, Mitarbeiter zu finden?
Die größten Kopfschmerzen bereiten mir die vordersten Linien, die Mitarbeiter in den Call-Centern und im Verkauf. Die einfachen Arbeiten sind automatisiert. Geblieben sind die komplizierteren Geschäftsabläufe, wenn der Kunde unterschiedliche Dinge kombinieren will oder ein individuelles Problem gelöst werden muss. Die Aufgaben im Kundenkontakt werden immer komplexer. Zugleich lässt sich die Arbeit dort nicht so flexibel gestalten, Home-Office geht da eben nicht, und es gibt zudem großen Druck auf die Finanzierung dieser Stellen. Das größte Problem an der vordersten Linie ist also die Fluktuation.
Sie haben früher bei McKinsey große Firmen beraten. In aller Kürze: Was sind heute die drei größten Probleme großer Konzerne?
Interne Komplexität, die Ausrichtung nach innen, statt nach außen, und Trägheit. Also nach dem Motto „das haben wir doch immer so gemacht…“.
Welche Bedeutung haben Startups und ihre Arbeitsweise für Ihre Tätigkeit?
Ein Beispiel: Vor etwa drei Jahren haben wir den Wettbewerb „Big Head“ ausgerichtet. Die Mitarbeiter konnten innovative Ideen entwickeln und haben dafür Zeit und Mittel zur Verfügung bekommen. Zwei Mitarbeiter haben eine Parking-App entwickelt. Sie haben ihre eigene Firma gegründet, T-Mobile verlassen, aber wir kooperieren mit ihnen. Im Dezember haben wir unseren Smart-Car-Service „Chytré auto“ auf den Markt gebracht, in dem auch ihr Produkt steckt. Wenn man in Prag in der blauen Zone parkt, die eigentlich nur für Anwohner ist, kann man mit ein paar Klicks über die App bezahlen. Die beiden Ex-Mitarbeiter sind also weiter Teil unseres Ökosystems, aber arbeiten auf andere Weise.
Ist Brain-Drain ein Problem?
Bisher nicht. Ich sehe eher Probleme bei den jungen Leuten, die gerade von der Universität kommen. Die wollen lieber in die Startup-Welt, als in einen großen Konzern. Für die müssen wir auch künftig ein attraktiver Arbeitgeber bleiben.
Brauchen Sie also Hängematten oder Pizza in der Kantine?
Hängematten sind keine Lösung. Junge Leute sind einfach an andere Kommunikationsformen gewöhnt. Im Sommer beantwortet mein 13-jähriger Sohn meine Mails nicht, weil er angeblich sowieso nur Post von mir und seinen Lehrern bekommt. Dabei verbringt er täglich vier Stunden mit Smartphone, Tablet und Computer. Im März haben wir bei T-Mobile „Workplace“ gestartet, das Facebook für Firmen. Manche Mitarbeiter sind begeistert, aktiv und erfahren jetzt, was im Verkauf oder bei den Technikern gerade läuft. Aber Mitarbeiter, die nicht so sehr in der digitalen Welt leben, beklagen sich: „Werden wir jetzt also nicht mehr persönlich miteinander sprechen oder was? Aber die jungen Bewerber können es nicht verstehen, wenn ich Ihnen sagen muss, dass wir hier kein eigenes Social Network haben. Das ist wichtiger als die Hängematte. Sie sehen, ich bekomme zu Hause ein „reverse Mentoring“. J
Welche Rolle spielt bei Ihnen im Unternehmen Design Thinking?
Bisher haben wir im Wasserfall-Modell gearbeitet: Jemand hat etwas in Auftrag gegeben, das dann bis zu einer gewissen Phase ausgearbeitet wurde. Am Ende haben sich das alle angeschaut und vielleicht festgestellt, dass das Ergebnis nicht gut war. Jetzt drehen wir das um. Auch die Mitarbeiter, die bisher am Ende standen, zum Beispiel Juristen oder Buchhalter, sind von Anfang an in den gesamten Entstehungsprozess eingebunden und sehen, was der Kunde genau braucht. So wird besser kooperiert, und alle verstehen, was das Endprodukt sein soll. Darin sehe ich den großen Vorteil von Design Thinking.
Gibt es bei T-Mobile eigentlich noch Jahresziele für jeden Mitarbeiter?
Das betrifft vor allem die Verkaufspositionen. Sie haben Wochen-, Monats oder Quartalsziele und werden danach bezahlt.
In welchem Verhältnis stehen Grundgehalt und Boni zueinander?
Das kann beispielsweise 50:50 sein. Es gibt mehrere Modelle, je nach Position im Verkauf…
Kann man von den 50 Prozent leben?
J Das ist so aufgestellt, dass man sich sehr um die zweiten 50 Prozent bemüht. Bei den anderen Firmenbereichen haben wir große Debatten geführt, ob wir die Jahresziele abschaffen. Die meisten Mitarbeiter können sich diese Ziele ohnehin nicht merken und die meisten Manager schaffen es gar nicht bis Ende des Jahres, die Ziele zu vereinbaren.
Themenwechsel: Ich muss gestehen, dass wir in der ersten Relaunch-Ausgabe der Plus keine einzige Frau hatten.
Aha. Das ist ja…
…ein großer Fauxpas. Warum arbeiten so viele Frauen im HR?
Wohl weil das Vorurteil besteht, dass das ein „Pflege“-Bereich ist.
Mangelnde Anerkennung auch seitens der CEOs? Die Mutti schafft das schon, dort drei Kinder und hier ein bisschen Angestelltenpflege…
Für mich ist das eher symptomatisch für die gesamte Situation in Tschechien und den Frauenanteil im Management. In Kroatien ist das Verhältnis bei T-Mobile 50:50, und niemand macht sich darüber Gedanken. Tschechien gleicht aber in der Frage eher Deutschland. Selbst in der Slowakei ist der Anteil von Frauen im Management höher. Das hat etwas mit der herrschenden Kultur zu tun. Viele Frauen bleiben hierzulande als Mütter lange zu Hause und wollen dann nicht an exponierter Stelle in die Firma zurückkehren. Mir sagen auch einige Kollegen, ich sei eine Rabenmutter. Dagegen muss man sich schon wappnen. Aber ich habe im Ausland gesehen, dass es geht. Wenn der Partner die Frau jedoch nicht unterstützt und auch noch Kinderkrippen und Kindergärten fehlen, dann ist es sehr viel schwerer. Tschechien gehen dadurch viele Talente verloren.
Was sagen Sie einem Menschen, der Ihre Lebensweise kritisiert?
Lieber eine glückliche Mutter, die sich – nach seiner Definition – nicht voll und ganz um die Kinder kümmert, als eine unglückliche Mutter, die sich für ihre Kinder aufopfert.
In der Führung von T-Mobile sind Sie zu sechst – Sie sind die einzige Frau. Reicht Ihnen das Verhältnis?
Nein, das reicht nicht. Auf der Ebene unterhalb des Boards haben wir 23% Frauen. Mein Ziel sind 30%…
Das haben Sie aber schon vor fünf Jahren gesagt…
…und haben das immer noch nicht erreicht. Im B2C schon und auch quer durch das Management. Aber der Bereich Technik vermasselt uns die Statistik.
Und Quoten?
Früher hätte ich absolut nein gesagt. Heute halte ich die Quote für ein Ziel. Und wenn man sich im Business keine Ziele setzt, dann passiert nichts.
Top-Managerinnen in Teilzeit – geht das?
Bei McKinsey habe ich das zehn Jahre lang so gehabt. Aber am Anfang herrschte erst mal großes Entsetzen. Wie sagen wir das unseren Klienten, was denken die dann, hieß es. Schließlich waren aber alle zufrieden.
Auf den unteren Positionen ist das aber für Frauen schwerer, da fehlt dann oft das auch Geld für eine Kinderbetreuung…
Sicher fehlen vor allem Plätze in Krippen und Kindergärten. Aber der Staat sollte einen höheren Anteil arbeitender Frauen wollen, sonst werden in Tschechien die Stellen nicht besetzt. Dann müssen entweder Arbeitskräfte aus dem Ausland kommen, was hier nicht sehr beliebt ist, oder die Arbeitsplätze wandern ins Ausland.
Die Tschechen lieben ja Kroatien, wo das Verhältnis 50:50 ist. Wann wird das auch hier so sein?
Bei unserem Tempo in einhundert Jahren.
Ursula Králová, vielen Dank für das Gespräch.
Autor: Christian Rühmkorf, Chefredakteur Plus, DTIHK / Fotos zum Interview: Tomáš Železný