Boomerwald

Mitten im Grünen. Präzision und i4.0 bei Rohde & Schwarz in Vimperk

Mess- und Prüftechnik, zivile und Militärtechnologie für Kommunikation, Netzwerk- und Cybersicherheit…das sind die Gebiete, in denen Rohde & Schwarz zu den Marktführern gehört. Technologien, die vor allem in den letzten Jahren einen wahnsinnigen Boom erfahren. Der südböhmische Standort Vimperk war das erste Auslandswerk des Konzerns. Plus sprach mit HR-Chef Milan Černý.

Spüren Sie diesen Technologie-Boom auch in den Kapazitäten und Bilanzen des südböhmischen Standortes Vimperk?

Wir haben in den letzten Jahren immer weiter zugelegt. Zum 30. Juni endet unser Geschäftsjahr, und wir werden unseren Umsatzplan mit großer Wahrscheinlichkeit erreichen. Rohde & Schwarz hat im letzten Geschäftsjahr erstmals die Zwei-Milliarden-Euro-Grenze überschritten.

Sie sind größter Arbeitgeber in Vimperk und Region. Haben Sie Ihre Kapazitäten in den letzten Jahren noch erweitert?

Ja, wir haben allein in diesem Jahr mehr als 80 Leute in Vimperk aufgebaut und das trotz der schwierigen Situation, einer Arbeitslosigkeit niedriger als 2 %. Das hat schon gut funktioniert. Wir haben heute 783 Mitarbeiter.

Nach Vimperk fährt man eigentlich nur, wenn man zu Ihnen will oder in die Natur. Wo bekommen Sie die gut ausgebildeten Leute her für Präzisionsprodukte dieser Art?

Wir arbeiten einerseits schon mit den Schulen zusammen, andererseits versuchen wir die Fachkräfte direkt nach der Ausbildung zu bekommen. Und wie Sie schon gesagt haben, die Natur ist auch ein „Verkaufsargument“. Vimperk liegt im Böhmerwald, und die Lebensqualität bei uns ist wesentlich besser als in den größeren Städten. Wir bieten zudem Unterkünfte für unsere Mitarbeiter, und am Ende zieht auch die Marke Rohde & Schwarz an.

„… setzen nicht auf Leiharbeiter“

Was für eine Mitarbeiterstruktur haben Sie? Akademiker / Nicht-Akademiker?

Knapp ein Viertel der Mitarbeiter hat eine Universitätsausbildung, d. h. Bachelor, Master oder Doktor. Mehr als 40 % sind Leute von der Mittelschule, haben also eine Fachausbildung mit Abitur. Und die restlichen Mitarbeiter haben eine Ausbildung absolviert. Die Qualifikation unserer Mitarbeiter ist wirklich hoch.

Im Jahre 2018 hat sich der Stundenlohn bei Ihnen um fast 10 % erhöht. Wann ist das Ende der Fahnenstange für Sie erreicht?

Die Personalkostenentwicklung ist jedes Jahr plus minus gleich. Die Steigerung ist mit der Marktentwicklung verknüpft. Gerade bei der Tarifverhandlung für das neue Geschäftsjahr müssen wir marktkonforme Entscheidungen treffen. Wir wollen aktuell einen Tarifvertrag für einen Dreijahreszeitraum abschließen, um die Personalkosten etwas zu stabilisieren und planen zu können.

Sie wurden in Tschechien und Deutschland als einer der besten Arbeitgeber ausgezeichnet. Womit haben Sie das verdient?

Wir unterstützen unsere Mitarbeiter in ihrer Ausbildung und in weiterführenden Qualifikationen. Unser Budget ist da im Vergleich zu den Anderen größer. Das ist ein Schlüsselfaktor neben den weiteren Sozialleistungen, die wir den Mitarbeitern bieten. Unser Fokus liegt auf langfristiger Beschäftigung. Unsere Produkte sind sehr kompliziert und deswegen ist es für uns wichtig, das Know-how unserer Kollegen aufzubauen. Wir setzen deshalb auch nicht auf Leiharbeiter, sondern auf Stammmitarbeiter, die uns Vertrauen entgegenbringen. Wir geben dieses Vertrauen auch dadurch zurück, dass sich die Mitarbeiter bei uns weiter entwickeln können.

Im benachbarten Bayern gibt es eine duale Berufsausbildung, in Tschechien nicht. Haben Sie in Vimperk eigene Ausbildungsaktivitäten?

Die duale Ausbildung ist für uns ein wunder Punkt. Wir diskutieren hier in Tschechien schon jahrelang darüber. Wir haben die Inspiration direkt hinter der Grenze und sehen, wie gut es läuft. Wir handeln im gegebenen legislativen Rahmen und versuchen den praktischen Teil von den Schulen zu uns zu bringen. Wir haben auch unterschiedliche systematische Programme, bei denen unsere Mitarbeiter in unserem Werk und an unseren deutschen Standorten geschult werden.

„… ein großer Schritt in die Selbstständigkeit“

Rohde & Schwarz ist seit 2001 in Vimperk, das erste Auslandswerk des Konzerns überhaupt. Am Anfang war es ein reines Montagewerk. Wo stehen Sie heute?

Ich bin selbst seit 2001 hier im Unternehmen tätig. Wir haben mit einfacher Kabelfertigung angefangen, heute produzieren wir die komplette Produktpalette von Rohde & Schwarz. In Vimperk sind in den Bereichen Produkt-Engineering, Robotik und elektrische Konstruktion fast 70 Mitarbeiter. Das bringt uns schon in eine andere Richtung als früher. Jetzt kümmern wir uns um die Produkteinführung. Wir begleiten die Produkte durch den Fertigungsprozess und nehmen auch die notwendigen Anpassungen vor. Bei den elektrischen Konstruktionen reichen wir auch die Vorschläge ein, stimmen sie mit unseren Vorstandsentwicklern in München ab und führen das auch in die Praxis ein. Also, da ist schon ein großer Schritt in die Selbstständigkeit gemacht worden.

Auch die Regierung will nun nur noch Investitionen mit höherem Mehrwert fördern. Wie sehen Sie diesen Trend?

Durchaus richtig. Wir brauchen aber Freiraum auch im legislativen Rahmen, der uns diese Aktivitäten ermöglicht. Robotik, Automatisierung, Digitalisierung, alles was heute hinter dem Begriff Industrie 4.0 steht, sind Themen, an denen wir sowieso arbeiten. Nicht weil es die Regierung will, sondern weil wir es wollen. Wir wollen effektiver sein, wir wollen Personalressourcen anders und besser nutzen. Wir haben heute kollaborative Roboter. Das ist schon der richtige Weg.

Die Infrastruktur gilt gerade im Grenzbereich Südböhmen / Bayern als äußerst schlecht. Wie bekommen Sie Ihre Produkte aus Vimperk nach Deutschland oder in die Welt?

Wir sind sehr gut mit der Kreishauptstadt Budweis vernetzt. Aber wo wir eindeutig ein großes Defizit haben, ist vor allem der Ausbau der Bundesstraße 4, die von Prag über Strakonice nach Vimperk führt. In den letzten Jahren gab es besonders im Abschnitt Strakonice – Vimperk keine Investitionen. Es bringt Probleme für die Pendler. Die brauchen manchmal auch eine Stunde Fahrtzeit für 30 km! Was die Materialbeschaffung betrifft, sind wir gut verknüpft mit unseren Werken in Deutschland. Und dadurch, dass unsere Kunden meist komplette Lieferungen wollen, werden die Produkte an unseren Standort nach Teisnach geliefert, dort konsolidiert und via Münchner Flughafen versandt. Über die Grenze fahren wir mit dem Lastwagen im 24-Stunden-Takt.

Würde sich Rohde & Schwarz unter den heutigen Bedingungen – keine Leute, Lohnspirale, schlechte Infrastruktur – noch mal für Südböhmen als Standort entscheiden?

Für Rohde & Schwarz war es die richtige Entscheidung. Vor 2001 war hier an der gleichen Stelle, wo wir heute sind, ein Produktionswerk der Firma Tesla. Hier gab es schon Fachkräfte, die Rohde & Schwarz gut nutzen konnte. Hätten Rohde & Schwarz zum Beispiel in Budweis investiert, wären sie heute in großer HR-Konkurrenz zu Bosch. Und was die Entwicklung betrifft: Klar, die Löhne steigen und die Arbeitslosigkeit ist gleich null, aber ich bin mir sicher, dass wir auch diese schwierige Situation meistern. Wir müssen immer daran arbeiten, dass für Rohde & Schwarz der Standort interessant bleibt. Das heißt, die Qualifikation der Mitarbeiter und die Stabilität des Personalstamms sind aktuell unsere größten Aufgaben.

Interview: Christian Rühmkorf

Foto: Rohde & Schwarz