Transformation & Konkurrenzfähigkeit gehen nur mit Qualifikation

Wenn Bildung und Weiterbildung zu einer Frage der wirtschaftlichen Existenz werden

Immer wieder adressieren Wirtschaft und Politik den eklatanten Fachkräftemangel. Zu Recht. Auch unsere Konjunkturumfrage zeigt seit Jahren: Das ist die größte Hürde für die Unternehmen. Aber die jährliche Umfrage verweist auch auf einen anderen, genauso dramatischen Mangel – das Berufsbildungssystem landet im Ranking von 21 Standortfaktoren regelmäßig auf der letzten oder vorletzten Sprosse.

Die Verzahnung von schulischer Theorie und beruflicher Praxis sehen die Unternehmen als wesentlich an für die Wettbewerbsfähigkeit Tschechiens. Dafür werden folgende Mitarbeiterkompetenzen gebraucht: Soft-Skills, wie Kommunikation und Teamarbeit (63 %), tieferes Verständnis und Nutzung digitaler Technologien (51%) und hybride Führungskompetenz (47 %). Aber: Das staatliche Bildungs- und Berufsbildungssystem hat sich kaum verbessert, während sich die kommunikativen, technologischen und digitalen Anforderungen
in den Unternehmen rasant verändern.

Die Schere zwischen Anforderung und Qualifikation wird weiter auseinandergehen, wie auch der Internationale Währungsfonds Anfang des Jahres in einer Studie zum Übergang hin zur Elektromobilität in Tschechien warnt. Kurzgefasst: Es werden weniger Arbeitskräfte benötigt, aber mehr Kompetenzen. Dabei weist Tschechien „einen der niedrigsten Anteile an hochqualifizierten Arbeitskräften im Automobilsektor sowie einen vergleichsweise geringeren Anteil an Hochqualifizierten in der Bevölkerung auf“, heißt es in der Studie weiter. Das Risiko bestehe darin, dass Tschechien mangels geeigneter politischer Maßnahmen mit einer schwierigeren Übergangsphase konfrontiert sein wird als andere Länder.

Eine aktuelle Publikation des tschechischen Arbeits- und Sozialministeriums zur künftigen Entwicklung des Arbeitsmarktes spricht zudem von 1,1 Mio. Arbeitsplätzen, die bis 2030 automatisiert und digitalisiert werden. Das ist im Grunde „übermorgen“. Aber das ist nicht alles. Künstliche Intelligenz wird den Menschen auch in hochqualifizierten Berufssegmenten – auch im Management – teilweise ersetzen. Der tschechische KI-Guru Michal Pechoucek bezifferte bereits vor fünf Jahren den Verlust von Arbeitsplätzen weltweit auf zwei Milliarden. Natürlich, neue werden entstehen. Aber sind wir auf sie vorbereitet?

Wer in Zeiten des rasanten technologischen Wandels den Mehrwert seiner Volkswirtschaft steigern will – und das will die Tschechische Republik – der muss die Menschen dazu befähigen, diesen Wandel zu schaffen und zu gestalten. Oder er riskiert die Konkurrenzfähigkeit der eigenen Wirtschaft und in der Folge den sozialen Frieden.

Was ist zu tun beim Thema Qualifikationen angesichts dieser gewaltigen Transformation, an deren Anfang wir stehen, und die im Grunde kein Ende haben wird?

Wir brauchen erstens einen klugen (Grund-)Schulunterricht, der die Kinder frühzeitig zum eigenständigen Denken, Kommunizieren und Kooperieren hinführt, und nicht nur ihre Wissensspeicher füllt. Der frontale Abfrageunterricht ist ohne Frage bequemer für alle, Lehrer und Schüler. Und er eignet sich zur Disziplinierung. („Weißt Du nicht? – Fünf!“). Aber wir müssen mehr auf die Ebene von Analyse, Bewertung und Problemlösung
kommen. Das ist unbequemer für alle, aber auch spannender (und ein Weg zu mehr Disziplin). Wie sonst sollen unsere Kinder mit unvorhersehbaren Problemen klarkommen, wie sie uns schon ereilt haben?

Wir brauchen zweitens eine berufliche Bildung, die ganz eng mit der Praxis in den Unternehmen verzahnt und attraktiv ist. Eine Ausbildung, die zwar Wissen vermittelt, aber seine eigenständige Anwendung, Erweiterung und Aktualisierung nicht vernachlässigt. Das geht nur in den Unternehmen selbst, denn wo sonst kommen die neuesten Technologien zur Anwendung. Diese Verzahnung muss vom Staat endlich organisiert und von den Unternehmen mit Investitionen in die Auszubildenden begleitet werden. Wie man dann das Baby nennt, ob Duale oder kooperative Ausbildung, ist gleichgültig.

Und wir brauchen drittens ein integriertes System von Weiterbildung. Weiterbildung ist kein Benefit mehr, kein „nice to have“, sie wird zu einer Frage der wirtschaftlichen Existenz. Für den Einzelnen und für den Staat. Aber auch da ist die tschechische Performance „not nice to have“. Laut Boston Consulting Group und Aspen-Institut bilden sich in Tschechien nur 5,8 % der erwachsenen Bevölkerung regelmäßig weiter, das ist der geringste Wert in der Europäischen Union. Der EU-Durchschnitt ist mit 10,8% fast doppelt so hoch.

Wissen und Können brauchen Willen!

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