Südböhmen

Teiche voll von Karpfen und Orte wie aus einem Märchen – das sind wohl die gängigsten Bilder des zweitgrößten Kreises in Tschechien. Zumindest wenn es nach Promo-Spots geht. Wer jedoch hinter diese Filmkulisse schaut, trifft auch auf ein etwas anderes Südböhmen: mit namhaften technologischen Großunternehmen, teuren Entwicklungs- und Applikationszentren und Spitzenforschung in Biologie und Ökologie. Allerdings: Es ist nicht gerade leicht, in Südböhmen von A nach B zu kommen.

Lebensqualität

„In Budweis möchte jeder leben“, heißt es in einem berühmten tschechischen Theaterstück. Und das mag für ganz Südböhmen stimmen. Denn laut des aktuellsten Regionenvergleichs ist hier tschechienweit der „zweitbeste Ort zum Leben“, nur der Königgrätzer Kreis (Královéhradecký) hat die Nase vorn. Die südböhmische Metropole Budweis und zwei weitere „Vertreter“ der Region – Třeboň und Trhové Sviny – schaffen es zudem in die TOP 10 der Städte und Gemeinden mit bester Lebensqualität. Die südböhmischen Spitzenreiter punkten durch materielle Sicherheit, gute Luft- und Umweltqualität, ein breites Angebot an Freizeitaktivitäten, Zugang zu Bildung und erschwingliches Wohnen. Und in Zukunft wollen sie auch noch intelligenter werden. Dafür soll die Initiative Smart Region sorgen. Die ersten Früchte erntet Písek, ausgezeichnet als „Smarte Stadt“ des Jahres 2017.

Verkehrsinfrastruktur

Die unzureichende Verkehrsinfrastruktur wird als das größte Problem der Region bezeichnet. Es fehlen Autobahnverbindungen nach Prag, Österreich und Deutschland. Von den 170 km der Autobahn D3 Prag-Budweis-österreichische Grenze sind momentan lediglich ca. 60 km im Betrieb, auch wenn intensiv daran gearbeitet wird. Der südböhmische Teil soll 2024 fertig werden, die komplette Strecke dann voraussichtlich 2032. Von der Autobahn D4 (Prag-Nová Hospoda mit einer Anbindung an die Schnellstraße Pilsen-Budweis) fehlen noch 32 km. Eine gute Anbindung an die bayerische Grenze steht noch in den Sternen. Im April 2019 wurde der Bau einer Ortsumgehung um Budweis begonnen, die 2022 fertig sein soll. Die Fahrzeit mit dem Schnellzug von Prag nach Budweis soll bis 2026 um 20 Minuten auf nur noch 1:40 verkürzt werden. Auch in puncto Luftfahrt tut sich etwas: Mit einer Investition von fast 1 Milliarde Kronen wurde der ehemalige militärische Flughafen zu einem Verkehrsflughafen modernisiert. Inbetriebnahme und Wirtschaftlichkeit? Unklar.


Südböhmen und Tschechien

Indikator Südböhmen Tschechien
Durchschnittslohn (CZK / 2018) 28.808 31.885
Einwohner (Mio. / 2018) 0,64 10,65
Arbeitslosenquote (% / April 2019) 2,0 2,7
Bevölkerungsdichte (Einw. pro km2 / 2018) 64 135
BIP pro Kopf (CZK / 2017) 386.952 476.628
Bruttowertschöpfung (Mio. CZK / 2017), davon Anteile in % 221.942 4.529.144
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei 4,9 2,3
Verarbeitendes Gewerbe 27,5 26,8
IT und Telekommunikation 1,9 5,3
Stand der ausländischen Direktinvestionen (Mrd. CZK / 2017) 97,3   3.321,3  
F&E: Gesamtausgaben (Mrd. CZK / 2017) 2,9 90,4
F&E: Anteil am BIP (% / 2017) 1,2 1,8

Quellen: www.czso.cz, www.mpsv.cz, www.cnb. Recherchen und Berechnungen Germany Trade & Invest


Branchen

Der alljährliche Karpfen für Ihren Weihnachtstisch kommt vermutlich aus einem der 7.000 südböhmischen Teiche. Fischerei wie auch Land- und Forstwirtschaft prägen seit jeher das Bild der Region. An der Bruttowertschöpfung beteiligten sie sich jedoch 2017 mit „nur“ 4,9 %. Das ist zwar mehr als im Landesdurchschnitt, aber immerhin viel weniger als das verarbeitende Gewerbe (27,5 %). Das Schwergewicht, mit Budweis als Wirtschaftszentrum, sind dabei Maschinenbau, Automobil- und Lebensmitteindustrie. Die Zukunft liege aber, so die regionale Innovationsstrategie, in „smarten Spezialisierungen“: Biotechnologien, Mechatronik und Elektrotechnik. Und genauso sehen das auch Investoren, oft progressive technologische Unternehmen, die hier Milliarden für Produktionsstandorte samt Entwicklung ausgeben und eine höhere Wertschöpfung schaffen. Ein Markenzeichen der Region fehlt noch: das Kernkraftwerk Temelín. Und drum herum – eine starke Energiewirtschaft.

Forschung & Entwicklung

…sind in Südböhmen auf dem Vormarsch. Zu verdanken ist dies einer vitalen Wissenschaftssphäre und dem Privatsektor. Mit dem Biologischen Zentrum der Akademie der Wissenschaften hat die Region eine Forschungsinstitution mit weltweitem Renommee in Biologie und Ökologie. Weitere Forschung kumuliert sich an den drei staatlichen Universitäten, insbesondere dann an der Südböhmischen Universität in Budweis. Insgesamt arbeiten in Südböhmen rund 2.500 Leute in Forschung und Entwicklung. In Sachen Finanzierung liegt der Kreis bislang eher im Mittelfeld: 2017 gaben die Südböhmischen für F&E 3 Milliarden Kronen aus, was einem 1,2%-Anteil am regionalen BIP entspricht (CZ: 1,8 %). 1,76 Milliarden davon kamen aus der Privatwirtschaft. An die 100 Unternehmen betreiben hier eigene F&E-Aktivitäten. Der Trend liegt eindeutig bei Digitalisierung, Automatisierung, IoT und Big Data. Erstrebenswert für die Zukunft sei eine noch engere Zusammenarbeit der Forschungs- und Unternehmenswelt, so die Strategie der Region. Die Innovationsinfrastruktur dafür schaffen vier Gründerzentren und die Nähe zu Österreich und Deutschland, insbesondere dann zu Bayern.

Tourismus

Eine märchenhafte Aura macht Südböhmen zum beliebten Reiseziel. Und so brummt die Tourismusbranche, eine wichtige Geldquelle für die Region. Mit 1,7 Millionen über Nacht bleibenden Gästen, ein Plus von 11 % zum Vorjahr, war das „Land der Teiche“ 2018 der dritt-meistbesuchte Kreis in Tschechien. 20 Milliarden Kronen geben hier die Touristen im Jahr aus. Zu sehen bekommen sie dafür viel: etwa das prächtige Schloss Hluboká, die Hussitenstadt Tábor oder zwei UNESCO-Orte, das malerische Dorf Holašovice und die mittelalterliche Stadt Krumau, nach der Prager Burg die meistbesuchte Sehenswürdigkeit hierzulande. Einen guten Namen machen sich auch immer mehr der Kurort Třeboň oder das Skigebiet Böhmerwald.

Foto: Petr Šípek