Mit den Technologien direkt im realen Betrieb vertraut machen

Die Attraktivität und die Qualität der technischen Fachausbildung stecken in Tschechien seit Jahren in der Krise. Das Problem ist erkannt, eine komplexe Lösung lässt noch auf sich warten. Viele große Unternehmen leiden unter dem Mangel an gut und bedarfsorientiert ausgebildeten Fachkräften. Wie die Schaeffler Gruppe sind viele selbst aktiv geworden und investieren Zeit, Kompetenz und Geld, um die Ausbildung zukunftsfähig zu machen. Mehr dazu im Gespräch mit der HR-Spezialistin Pavla Holubářová von Schaeffler Production CZ.

Schaeffler engagiert sich sehr viel in der Fachausbildung. Was halten Sie für Ihr wichtigstes Ausbildungsprojekt in der Tschechischen Republik?

Die Schaeffler Gruppe ist seit Jahren Vorreiter im Feld der dualen Berufsausbildung. Unsere Tochtergesellschaften in ganz Europa haben viel Erfahrung mit der Fachausbildung. Und gerade dank dieser grenzüberschreitenden Erfahrungen haben wir im letzten Jahr im Rahmen der Schaeffler Academy in unserem Werk Svitavy ein Schulungszentrum gebaut, das wir für die Ausbildung von Schülern der Mittel- und Berufsschulen nutzen. Das wichtigste Projekt ist für uns jedoch das Engagement in verschiedenen Vereinigungen zur Unterstützung der technischen Ausbildung sowohl auf der lokalen, regionalen als auch überregionalen Ebene.

Mit welchen Aktivitäten ersetzen Sie eigentlich die Systemmängel der Fachausbildung in der Tschechischen Republik?

Als Automobil- und Industriezulieferer und Hersteller von Komponenten und Systemen machen wir verstärkt die Erfahrung, dass technische Schulfächer zunehmend an Attraktivität verlieren. Mangelnde finanzielle Ausstattung der Schulen und ein zurückgehendes Interesse an technischen Studienfächern bei den Absolventen verstärken die Herausforderung für Unternehmen wie unseres, qualifizierte Fachkräfte auf den lokalen Arbeitsmärkten zu finden. Deshalb fangen wir mit unseren Aktivitäten bereits an den Grundschulen an und versuchen, auf ansprechende Art und Weise den Kindern Technik näherzubringen. Und das gelingt uns am besten gerade in der Zusammenarbeit mit anderen Firmen. Mit unserem Stipendienprogramm versuchen wir Lehrlinge und Studenten der technischen Schulen für technische Berufe zu begeistern. Den Lehrern im Bereich der Fachausbildung bieten wir die Möglichkeit an, bei uns Praktika zu absolvieren. So gelingt es uns, ihnen die Anforderungen an technische Berufe besser zu vermitteln. Den wichtigsten Beitrag für die zukünftigen Werkzeugmacher, Kunststoffbearbeiter und Mechatroniker sehen wir darin, dass sie bei uns eine langfristige Fachausbildung unter der Aufsicht von erfahrenen Praktikern absolvieren.

Das Duale System hat zwei Säulen – Schulen und Firmen. Schulen und Lehrpläne werden oft für veraltet gehalten. Die Firmen wiederum werden oft dafür kritisiert, dass sie Verantwortung und Kosten für die Ausbildung nicht übernehmen wollen. Wo sehen Sie den größten Mangel, sowohl auf Seiten der Schulen, als auch auf Seiten der Firmen?

Wir arbeiten mit einigen Mittelschulen in unserer Nähe zusammen und engagieren uns dabei besonders für die Verbindung von Theorie und Praxis. Die Schulen verfügen oft über eine moderne Ausstattung, auch dank verschiedener Spendenprogramme. Für die Studenten ist es aber genauso wichtig, dass sie sich mit den Technologien direkt im realen Betrieb vertraut machen, nicht nur in der Schulausbildung. Aus unserer Sicht braucht es vor allem eine stärkere Flexibilität der Schulen, sich an den verändernden Bedarf auf dem Arbeitsmarkt anzupassen. In der heutigen, sich schnell verändernden Industriewelt ist es sehr wichtig, dass die Lehrpläne der einzelnen Fächer kontinuierlich angepasst werden, sodass der Absolvent die besten Chancen hat, sich für den Arbeitsmarkt fit zu machen. Und das kann nicht anders gelöst werden, als im Rahmen einer engen Zusammenarbeit zwischen den Schulen und den Firmen. Als Familienunternehmen stehen für uns dabei eine langfristige und verlässliche Planung und Investition in unsere Arbeitskräfte im Vordergrund.

Im Interview für unser Magazin hat der zukünftige Minister für Industrie und Handel Karel Havlíček auf die Frage, wie er sich ein modernes Ausbildungssystem vorstelle, geantwortet: „Wir wollen und können auch keine Revolution im Ausbildungssystem machen“. Was würden Sie darauf antworten, in Anbetracht der Tatsache, dass Schaeffler Erfahrungen mit dem Ausbildungssystem in der Tschechischen Republik und mit dem Dualen System in der Slowakei hat?

Das duale Ausbildungssystem verlassen mit der Unterstützung von Schaeffler jährlich Dutzende von erfolgreichen Absolventen in der Slowakei, in Ungarn, Rumänien und in Deutschland. Schaeffler investiert massiv in die Ausbildung von Studenten und unsere Erfahrung zeigt: die Investitionen zahlen sich aus. Die Absolventen unserer dualen Fachausbildung sind gut qualifizierte Fachkräfte.

Die Regierung will ein Pflichtfach „Technik” auf der zweiten Stufe der Grundschulen einführen. Ist das Ihrer Meinung nach ein wichtiger Schritt?

Technik als Pflichtfach ist aus meiner Sicht ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Wir begrüßen Initiativen der Regierung, die das technische Bewusstsein schon im Grundschulalter fördern. Dabei wird es von Bedeutung sein, die Qualität eines solchen Schulfaches zu gewährleisten und zugleich für das Thema Technik zu begeistern.

Interview: Christian Rühmkorf

Foto: Schaeffler Production CZ s.r.o.