Tschechiens Wirtschaft kommt nur langsam in Fahrt

Eine schwache Binnennachfrage und hohe Kosten machen der tschechischen Wirtschaft zu schaffen. Obendrein schnürt die Regierung ein Sparpaket. Der Aufschwung verzögert sich daher.

Tschechien schaut gebannt auf die jüngsten Erfolge der deutschen Industrieansiedlung. Neue Halbleiterfabriken wie in Dresden und Magdeburg oder die Batteriezellproduktionen in Salzgitter, Erfurt und Kamenz hätte auch die Regierung in Prag gern ins Land geholt. Denn das bisherige Wirtschaftsmodell stößt an seine Grenzen. Mit reinen Produktionsstätten internationaler Konzerne lässt sich in Zukunft nur wenig Wertschöpfung generieren. Zudem bedroht der technologische Wandel der Fahrzeugbranche weg vom Verbrennungsmotor Tschechiens wichtigste Industriesparte.

Darum bemüht sich Prag, Leuchtturminvestitionen ins Land zu holen, die auf den Rest der Wirtschaft ausstrahlen. Zwei Jahre lang verhandelte die Regierung mit Volkswagen um den Bau einer Gigafactory zur Batterieproduktion bei Plzeň. Anfang November 2023 kam die Absage aus Wolfsburg. Auch für eine Halbleiterfabrik des US-Konzerns Onsemi in Mähren gibt es noch immer kein grünes Licht. Der chinesische Batteriehersteller CATL baut derweil für über 7 Milliarden Euro im ungarischen Debrecen. Auch Polen konnte einige globale Schwergewichte wie den LG-Konzern anlocken. Das Industrieland Tschechien dagegen droht bei wichtigen Zukunftstechnologien den Anschluss zu verlieren. Dabei erhöhen der grassierende Personalmangel und steigende Löhne den Druck, mehr innovative Produkte im Land zu entwickeln und zu fertigen.

Das Kabinett um Premierminister Petr Fiala will deshalb endlich neue Wachstumspotenziale entfalten. Es setzt in erster Linie auf den massiven Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, um Tschechien zu einem logistischen Drehkreuz zu machen. Die Energieversorgung soll dank Kernkraft sicherer und günstiger werden. Bei der Verwaltung ruhen die Hoffnungen auf schnelleren, digitalen Prozessen.

Die aktuelle Wirtschaftsflaute in Tschechien zeigt, wie sehr das Land vom Wohlergehen der deutschen Konjunktur abhängt. Kaum dass der große Nachbar in die Rezession schlittert und weniger Aufträge platziert, kommt auch der Aufschwung jenseits des Böhmerwalds ins Stottern. Im 2. und 3. Quartal 2023 schrumpfte das tschechische Bruttoinlandsprodukt (BIP) jeweils um 0,6 % zum Vorjahr. Für das Gesamtjahr 2023 erwartet das Finanzministerium ein Minus von 0,5 %.

Besonders stark waren die Einbrüche zuletzt in der Bauwirtschaft, im Finanzsektor und in der Landwirtschaft. Die Verbraucher schränkten ihren Konsum angesichts hoher Preise und unsicherer Aussichten stark ein. Immerhin waren die Unternehmen etwas ausgabefreudiger. Sie erhöhten ihre Bruttoanlageinvestitionen 2023 nach ersten Schätzungen um über 2 %. Auch der Staat sorgte mit leicht gestiegenen Ausgaben für Impulse. 

Die Bodenbildung des Abschwungs könnte daher erreicht sein. Schon für 2024 rechnet die Zentralbank wieder mit einem Wachstum von 1,2 %, im Folgejahr mit 2,8 %. Das Finanzministerium erwartet 2024 einen BIP-Zuwachs um 1,9 %. Trotzdem hat Tschechien länger als andere Länder gebraucht, um die Delle der Coronapandemie auszugleichen. Erst 2024 wird es als letztes EU-Land wieder die Wirtschaftsleistung erreicht haben, die es vor Ausbruch der Pandemie hatte.

Ein Grund für die lange Flaute ist die hohe Inflation, die 2023 zum zweiten Mal in Folge zweistellig ausfällt. Erst ab 2025 soll sich der Preisauftrieb der Zielmarke von 2 % nähern. Aufgrund der Teuerung mussten die Verbraucher reale Lohnverluste hinnehmen und ihren Konsum stark einschränken. Die exportorientierte Industrie leidet unter Energiepreisen, die zu den höchsten in Europa gehören. Zu schaffen machen den Unternehmen ebenso die starke Landeswährung und die hohen Zinssätze. Die Nationalbank beließ den Leitzinssatz Anfang November 2023 bei 7 %, dem höchsten Wert seit über 24 Jahren. 

Ab 2024 schnallt zudem die Regierung den Gürtel enger. Ein ambitioniertes Sparpaket soll die öffentlichen Finanzen ins Lot bringen und den Staatshaushalt innerhalb von zwei Jahren um 6 Milliarden Euro entlasten. Die Kosten müssen Privathaushalte und Unternehmen schultern. Erhöht werden unter anderem die Körperschaftsteuer, die Mehrwertsteuer auf ausgewählte Produktgruppen und die Einkommensteuer für Besserverdienende. Die Regierung rechnet damit, dass sich das Wirtschaftswachstum durch das Sparpaket kurzfristig um 0,3 %punkte verringert.

Außerdem ziehen die Energiepreise an. Der Staat will die Ökostromumlage, die seit Herbst 2022 aus Haushaltsmitteln finanziert wurde, ab 2024 erneut auf den Strompreis aufschlagen lassen. Branchen mit hohem Energiebedarf wie Chemie, Metallproduktion und Holzverarbeitung drosselten bereits 2023 ihre Produktion. 

Die schwache Konjunkturentwicklung schlug sich auch im Außenhandel nieder. Tschechiens Warenimporte schrumpften in den ersten drei Quartalen 2023 im Vergleich zur Vorjahresperiode um fast 6 % (auf Kronenbasis). Da zugleich die Ausfuhren leicht um 1 % zulegen konnten, verbesserte sich die Handelsbilanz. Der Außenhandel mit Deutschland schwächte sich im Jahresverlauf 2023 ab. Die tschechischen Exporte in das wichtigste Absatzland verringerten sich im September gegenüber dem Vorjahresmonat um 12 %.  Beim AHK World Business Outlook im Herbst 2023 beklagten 61 % der befragten deutschen Unternehmen in Tschechien die geringe Nachfrage im Land als Risiko. Besonders negativ empfunden wurden zudem die hohen Energiepreise und der Fachkräftemangel. Trotzdem weitet die deutsche Wirtschaft ihre Geschäfte aus: 45 % der Unternehmer planen Investitionen in den Ausbau der Produktion, 19 % in Forschung und Entwicklung und 9 % erweitern ihre Logistikkapazitäten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert