EU-Gelder für die Zukunftsfähigkeit
Tschechien hat im Sommer die neue Förderperiode eröffnet. Es geht um 21 Milliarden Euro an frischen europäischen Kohäsionsmitteln. Mitsamt dem Aufbauplan und dem Modernisierungsfonds sind es rund 35 Milliarden Euro bis 2030. In welche Projekte fließt das Geld?
Beim Abruf der europäischen Fördergelder aus dem vergangenen mehrjährigen Finanzrahmen 2014 bis 2020 steht die Tschechische Republik gut da. Im Sommer 2022 hatte sie über 80 % der europäischen Gelder geschöpft und war damit unter den EU-Ländern an die vierte Stelle vorgerückt. Nur Irland, Luxemburg und Finnland schnitten noch besser ab. Während diese Gelder noch bis 2023 ausgezahlt werden können, läuft die neue Förderphase an.
Tschechiens Partnerschaftsvereinbarung mit der Europäischen Kommission hat im Mai 2022 grünes Licht aus Brüssel erhalten. In diesem Schlüsseldokument legt das Land seine Investitionsstrategie fest und gibt über die geplante Verwendung der europäischen Mittel im Rahmen der Kohäsionspolitik 2021 bis 2027 Auskunft. Es geht um gut 21 Milliarden Euro, die die regionalen Unterschiede ausgleichen und den Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft unterstützen sollen.
Die Ziele sind durch die Investitionspolitik der Europäischen Union vorgegeben und lauten analog:ie Ziele sind durch die Investitionspolitik der Europäischen Union vorgegeben und lauten analog:
Die Ziele sind durch die Investitionspolitik der Europäischen Union vorgegeben und lauten analog:
- Intelligenteres Tschechien (3,4 Milliarden Euro)
- Grüneres und kohlenstofffreies Tschechien (6,3 Milliarden Euro)
- Verbundeneres Tschechien (4,3 Milliarden Euro)
- Sozialeres Tschechien (4,5 Milliarden Euro)
- Bürgernahes Tschechien (0,3 Milliarden Euro)
Neun operationelle Programme
Das Land setzt diese Mittel über neun operationelle Programme um. Hinzu kommen fünf Programme der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit (Interreg VI-A). Diese betreffen Polen, den Freistaat Sachsen, den Freistaat Bayern, Österreich und die Slowakei.
Im Sommer haben die ersten Programme mit Ausschreibungsrunden begonnen. Dieser Prozess wird sich beschleunigen. Bis Ende 2022 plant die Regierung 181 Förderaufrufe, die mit 240 Milliarden Kronen (umgerechnet rund 9,8 Milliarden Euro) ausgestattet sind. Der aktuelle Stand und alle Informationen sind auf der offiziellen Website www.DotaceEU.cz nachzuvollziehen.
Ein großer Fördertopf für Unternehmen
Der zentrale Fördertopf für Unternehmen ist dabei das vom Ministerium für Industrie und Handel verantwortete Operationelle Programm Technologien und Anwendungen für Wettbewerbsfähigkeit (OP TAK). Es knüpft mit einer Ausstattung von 3,1 Milliarden Euro an das auslaufende Operationelle Programm Unternehmen und Innovation für Wettbewerbsfähigkeit (OP PIK) an. Auch tschechische Niederlassungen deutscher Unternehmen können sich um diese Mittel bewerben. Erste geplante Aufrufe betreffen Innovations-Voucher, Applikationen, Energieeinsparungen, Innovationen, Smart Grids und Windkraftprojekte.
Das OP TAK soll kleine und mittelständische Unternehmen unterstützen, neue innovative Firmen hervorbringen und ihre digitale Transformation vorantreiben. Gefördert werden zum Beispiel die Entwicklung innovativer Produkte, die Einführung progressiver Ausrüstungen und Technologien, die Anschaffung von Produktionsmaschinen, die zu Digitalisierung und Automatisierung überleiten, die Inanspruchnahme von Beratungsdienstleistungen in allen Wachstumsphasen eines Start-ups oder der Aufbau von Datenzentren.
Auf dem Weg zu einer kohlenstoffarmen und ressourceneffizienten Wirtschaft werden aber auch Projekte bezuschusst, die die Energieeffizienz der Firmengebäude verbessern und erneuerbare Energiequellen erschließen. Es geht dabei um Solarthermie, Fotovoltaik, kleine Wasserkraftwerke, Wind, Wärmepumpen, aber auch den Übergang von der Biogasverstromung zur Biogasmethanisierung, den Bau neuer Anlagen für fortgeschrittene Biobrennstoffe zum Einsatz im Verkehr, die Energiespeicherung oder die Energietransformation zwischen Energieträgern.
Chancen auch in vier anderen Programmen
Unternehmen können mit ihren Projekten aber auch in anderen operationellen Programmen zum Zuge kommen. Geht es etwa um unternehmerische Qualifizierungsprogramme, greift das Programm Beschäftigung+. Gelder aus dem Programm Umwelt winken, wenn Wasserläufe geschaffen oder erneuert werden, die Luftqualität verbessert wird oder bei Lösungen im Übergang zur Kreislaufwirtschaft. Das Programm Fischereiwirtschaft unterstützt Unternehmer der Aquakultur oder Fischverarbeiter.
Firmen, die ihren Standort in einer der drei vom Strukturwandel betroffenen Kohleregionen Karlovy Vary, Mährisch-Schlesien oder Ústí nad Labem haben, können bei ihren Projekten vom Programm Gerechter Übergang profitieren.
Breites Spektrum für Technologieanbieter
Durch diese Investitionen ergeben sich für Technologieanbieter, aber auch für Bau- und Engineeringfirmen sowie Beratungsdienstleister Lieferchancen in einem breiten Spektrum. So will das Programm Verkehr das Eisenbahnnetz modernisieren, Lücken im Autobahnnetz schließen und nachhaltige Mobilität ankurbeln – durch Ladestationen, neue Straßenbahn- und Trolleybusstrecken, die Elektrifizierung des Busverkehrs. Verkehrsinfrastrukturen auf regionaler Ebene entwickelt das Integrierte regionale operationelle Programm, aber auch Krankenhausinfrastrukturen (Notaufnahmen, integrierte Kranken- und Sozialpflege), die regionale digitale Verwaltung, das kulturelle Erbe und den Tourismus
Die Schwerpunkte liegen auf Greentech, Energieeffizienz, nachhaltiger Mobilität und digitalen Systemen. Wer eine Förderung zugesprochen bekommt, muss sich an Beschaffungsregeln halten und Anbieter aus anderen EU-Ländern berücksichtigen.
Nationaler Aufbauplan als weitere Förderquelle
Während die Mittel im Rahmen der Kohäsionspolitik erst anlaufen, ist der Nationale Aufbauplan bereits in der Umsetzung. In diesem Fall geht es um 7,1 Milliarden Euro an Zuschüssen aus dem Aufbauinstrument NextGenerationEU. Sie sollen dazu beitragen, die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Corona-Pandemie abzufedern, Volkswirtschaft und Gesellschaft widerstandsfähiger zu machen und sie besser auf Herausforderungen und Chancen des ökologischen und digitalen Wandels vorbereiten. Tschechien hatte noch 2021 die als Vorfinanzierung möglichen 13 % der Zuschüsse beantragt, sodass die Förderaufrufe 2022 ins Laufen kamen.
Erst Reformen, dann Geld für Investitionen
Anders aber als bei den Kohäsionsmitteln, greifen beim Aufbauplan Investitionen und Reformen ineinander. Bevor einzelne Tranchen abgerufen werden können, müssen bestimmte Zwischenziele umgesetzt sein. Insgesamt geht es um 244 Reformen, die in Teilpaketen bei jeder Beantragung einer neuen Tranche nachgewiesen werden müssen. Zugleich herrscht Zeitdruck, da die Mittel noch 2023 den Projekten zugewiesen und die Gelder bis Ende 2026 geschöpft sein müssen. Die liberal-konservative Regierungskoalition, die erst nach der Verabschiedung des Aufbauplans ins Amt kam, hat bei einigen Reformen Verzögerungen festgestellt. Im Herbst will sie in Brüssel die Auszahlung der ersten Tranche in Höhe von fast 1,1 Milliarden Euro beantragen. Zuvor muss ein Paket von 37 Zwischenzielen umgesetzt sein. Dazu zählt das geplante Baugesetz, das in Verbindung mit der Digitalisierung der Verfahren die Genehmigungsprozedur beschleunigt und vereinfacht.
Tschechiens Aufbauplan fußt auf sechs Säulen: Digitale Transformation; physische Infrastruktur und grüne Transformation; Bildung und Arbeitsmarkt; öffentliche Verwaltung; Forschung, Entwicklung und Innovation; Gesundheit und Resilienz der Bevölkerung.
Digitalisierung als Muss
Rund 1,1 Milliarden Euro sollen den digitalen Wandel vorantreiben. Das Innenministerium verantwortet die Aufbauhilfen zur Digitalisierung der Verwaltung und Gesundheitssysteme, für die Cybersicherheit, das Hochgeschwindigkeitsinternet und die 5G-Infrastruktur. Bei Unternehmensprojekten ist das Industrieministerium zuständig. Fast 200 Millionen Euro fließen in deren digitale Transformation.
Am besten ausgestattet ist mit 3,2 Milliarden Euro der Schwerpunkt zum grünen Wandel. Beim Übergang zu neuen Energiequellen steht die Fotovoltaik im Vordergrund. Auch durch den hybriden Krieg Russlands, der die Energiekosten explodieren ließ, war der Ansturm auf die Investitionshilfen dergestalt, dass das Industrieministerium die Mittel auf über 200 Millionen Euro erhöhte. Firmen können sich bis Anfang Mai 2023 zudem mit Modernisierungsprojekten zu Fernwärmenetzen und zur Wärmedistribution bewerben.
Energieeffizienz und Recycling
Für Energieeffizienz in Gebäuden und für Ökomobilität ist das Umweltministerium zuständig. Es gibt mehrere Förderrunden zur Senkung des Energieverbrauchs durch Renovierung öffentlicher Gebäude und Beleuchtung. Wegen der hohen Emissionen aus Kohleheizungen werden aber auch Hausbesitzer gefördert, die auf erneuerbare Energie setzen (Fotovoltaik, Solarthermie, Ersatz durch Biomassekessel oder Wärmepumpen, kleine Stromspeicher). Umsetzungsinstrument ist das Energieeffizienzprogramm Nová zelená úsporám. Es startete im Herbst 2021 und erhält umgerechnet rund 450 Millionen Euro aus dem Aufbauplan. Bis Ende 2023 reicht wiederum die Frist für Kommunen und öffentliche Einrichtungen, die Zuschüsse für den Kauf von Elektromobilen und Ladestationen beantragen wollen.
Tschechien braucht mehr Recyclingkapazitäten. Unterstützt werden aus den Aufbaumitteln etwa Kompostieranlagen, die energetische Nutzung nicht recycelbarer infektiöser Abfälle aus dem Gesundheitswesen und die Verarbeitung von organischen Abfällen zu Biogas.
Bei Ausbildungsinvestitionen adressiert der Aufbauplan vorrangig digitale Kompetenzen. Unterstützt werden dabei auch Weiterbildung und Umschulung in kleinen und mittleren Unternehmen. Bei Forschung und Innovationen liegt die Priorität auf den pharmazeutischen Wissenschaften und auf Unternehmensprojekten, die intelligente Spezialisierung anstreben, auf Forschungszusammenarbeit oder auf der Anwendung von Innovationen. Den Schwerpunkt Gesundheit dominieren Krebsvorsorge und -behandlung.
Modernisierungsfonds bringt Dekarbonisierungsschub
Komplementär zu den Förderinstrumenten der Kohäsionspolitik und zum Aufbauplan ist der Modernisierungsfonds angelegt. Seine Priorität: Dekarbonisierung. Die Zuweisung von Mitteln läuft in Tschechien seit Herbst 2021 auf vollen Touren. Im Sommer 2022 hatten bereits 200 Unternehmen eine Förderzusage in der Tasche, darunter Niederlassungen deutscher Firmen. Es handelte sich fast ausschließlich um Fotovoltaik-Projekte.
Der Modernisierungsfonds finanziert sich über CO₂-Zertifikate, die im Rahmen des Emissionshandels der Europäischen Union (EU-ETS) anfallen und unterstützt in zehn EU-Mitgliedsländern den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft. Tschechien bezieht mit 15,6 % nach Polen den zweitgrößten Anteil an Zertifikaten aus dem Fonds. Die Regierung schätzt das Mittelvolumen, das mit steigenden Zertifikatspreisen wächst, bis 2030 auf mindestens 6 Milliarden Euro.
Diese werden in verschiedenen Programmen umgesetzt. Als erste aktiv waren HEAT (Modernisierung der Heizkraftwerke), RES+ (Fotovoltaik) und ENERG (Modernisierung der Produktion und der Energiequellen in Unternehmen). Für Technologienanbieter ergeben sich Geschäftschancen in einem weiten Spektrum, das von Blockheizkraftwerken, Energiespeichern über Mess- und Regeltechnik bis zu Elektrolyseuren für grünen Wasserstoff reicht. Tschechische Unternehmen deutscher Investoren wiederum können prüfen, ob sich diese Förderquelle für ihre Energie-, Effizienz- oder Emissionssenkungsprojekte eignet.
Weitere Wirtschafts- und Brancheninformationen von Germany Trade & Invest zu Tschechien finden Sie unter www.gtai.de/Tschechien
Text: Miriam Neubert, Germany Trade & Invest