Experten-Blick „Energiepreise“
Laut der aktuellen AHK-Konjunkturumfrage sehen die Unternehmen in Tschechien hohe Energiepreise als mit das größte Risiko für ihre wirtschaftliche Entwicklung in den kommenden 12 Monaten an. Ist die Zukunft der tschechischen Industrie in Gefahr?
Der Experten-Blick von Claudia Viohl, CEO der E.ON Tschechien und Vorstandsmitglied der DTIHK.
Nach den aktuellsten Daten von Eurostat, die zur Verfügung stehen, lagen die Energiepreise in Tschechien und in Deutschland im der ersten Jahreshälfte 2023 recht über den Durchschnitt. Warum?
Zunächst ist festzuhalten, dass diese Eurostat-Zahlen auf Listenpreisen basierten und nicht die tatsächlichen Verbraucherpreise aufgrund der von der Regierung eingeführten Preisdeckelung widerspiegelten. Die Berechnungsmethode hat sich also geändert und bei diesen Vergleichen zeigt sich nun, dass die Energiepreise in Tschechien nicht die höchsten in der EU sind, sondern im Mittelfeld liegen.
Hinsichtlich der zukünftigen Preisentwicklung muss zwischen der reinen Energiepreis-Komponente und der regulierten Komponente des in Rechnung gestellten Endpreises unterschieden werden. Wir beobachten, dass die Energiepreise an den Börsen in letzter Zeit rückläufig sind, was sich sukzessive auf die Endpreise für die Kunden auswirkt und auswirken wird. E.ON reagiert darauf, indem es die Preise senkt, sobald es die Situation erlaubt.
Der andere Posten im Endpreis sind die Netznutzungsentgelte und ihre Umlage auf die einzelnen Kundengruppen. Dies war zu Beginn des Jahres ein viel diskutiertes Thema, da diese Netznutzungsentgelte insbesondere für Kunden der Mittel- und Hochspannungsebene (also Unternehmen mit hohem Verbrauch) deutlich gestiegen sind. Nach den uns vorliegenden Vergleichsstudien liegen die Netznutzungsentgelte jedoch nicht weit über dem EU-Durchschnitt, sie sind in den meisten Ländern gestiegen und die Tschechische Republik gehört insgesamt zu den Ländern mit langfristig niedrigeren Netznutzungsentgelten. Letztendlich werden die Preise in Tschechien neben Steuern auch durch die EEG-Umlage beeinflusst, die beispielsweise in Deutschland seit Anfang letzten Jahres nicht mehr im Preis enthalten ist und in Tschechien in diesem Jahr wieder in den Gesamtendpreis integriert wurde.
Abschließend dürfen wir auch einen wichtigen Punkt nicht vergessen: Ganz Europa hat in den letzten zwei Jahren eine noch nie dagewesene Energiekrise erlebt, in der die Rohstoffpreise an den Börsen in ungeahnte Höhen geschnellt sind und sich auch viele bestehende und funktionierende Prozesse verändert haben. In dieser kurzen Zeit ist es uns gemeinsam gelungen, die Energieabhängigkeit von Russland deutlich zu reduzieren und gleichzeitig die wichtigen Klimaziele, die wir uns gesetzt haben und die stark von der Energiewende abhängen, nicht aus den Augen zu verlieren. Doch auch wenn der Markt sich stabilisiert und die Preise sinken, muss klar gesagt werden, dass die Energiewende, die wir eingeleitet haben, noch andauern wird und erhebliche Investitionen erfordert, vor allem in die Netze. Auch vor diesem Hintergrund sind sich die Experten einig, dass die Preise, die wir vor der Krise gewohnt waren, nicht mehr zurückkehren werden.
Die Unternehmen beklagen, dass die hohen Energiepreise sie daran hindern, in den notwendigen Wandel bei Energieeffizienz, Digitalisierung und Innovation zu investieren. Gefährdet dies die globale Wettbewerbsfähigkeit der tschechischen und europäischen Industrie?
Die Einführung energieeffizienter Lösungen ist für alle Unternehmen in Zukunft von zentraler Bedeutung, denn die billigste Kilowattstunde ist die, die man nicht verbraucht, und dann jene, die man selbst erzeugt und direkt vor Ort verbraucht. Viele Unternehmen haben dies bereits in der Vergangenheit erkannt und schon vor Jahren entsprechende Lösungen installiert. Wer bis jetzt gewartet hat, kann natürlich Probleme bekommen, aber das gilt für alle Branchen. Inwieweit Industrieunternehmen die finanziellen Reserven haben oder nicht, um energieeffiziente Lösungen einzuführen, ist eine Frage jedes einzelnen Unternehmens, zu der ich schwerlich etwas sagen kann. Für manche Unternehmen oder Kommunen können auch sogenannte EPC-Projekte interessant sein, bei denen der Kunde das Projekt nur über die erzielten Einsparungen abbezahlt.
Ich glaube nicht, dass die Wettbewerbsfähigkeit der tschechischen Firmen innerhalb der EU nur auf den Energiepreisen beruht. Wo die energiepreisbedingten Unterschiede größer sein können und die Wettbewerbsfähigkeit gefährdet ist, ist im allgemeinen Vergleich zwischen dem europäischen Markt und den Märkten in Asien oder den USA.
Wer ist jetzt am Zug?
Wir als Energieversorger können die Energiepreise nur bedingt beeinflussen, versuchen es aber und geben positive Trends an unsere Kunden weiter. Aber wie bereits gesagt, die Energieendpreise in den einzelnen Ländern werden auch durch lokale Besonderheiten und weitere Abgaben beeinflusst, die nicht durch die Energieversorger zu verantworten sind. Somit müssen vor allem auch andere Marktteilnehmer sowie nationale und transnationale Behörden aktiv werden.