Berliner Startup Fit Analytics hilft beim Onlineshopping
Anruf bei Fit Analytics. Es ist Mitte Januar und Sebastian Schulze ist außer Haus. Der CEO des Startups aus Berlin befindet sich gerade auf einem Umweg, er wartet in London auf seinen Anschlussflug, der ihn über den Großen Teich bringt. Das Ziel heißt San Francisco, Sehnsuchtsort der digitalaffinen Gründerszene – und seit kurzem auch Standort einer Tochterfirma von Fit Analytics. Der ganz große Durchbruch: In der Bay Area mit dem Silicon Valley scheint er möglich. Dahin wollen viele, aber längst nicht für alle geht der Traum in Erfüllung.
Das Team von Fit Analytics widmet sich seit 2010 einem Kernproblem des Onlineshoppings. „Wir helfen Leuten dabei, die richtige Kleidungsgröße zu finden, ohne dass sie die Kleidungsstücke anprobieren müssen“, sagt Steffen Poralla, der mehr oder weniger von Anfang an dabei ist.
Für Internethändler zahlt sich das in barer Münze aus. Um Kunden nicht zu vergraulen, halten sie den Rückversand trotz seiner Kosten so einfach wie möglich, sehen sich im Gegenzug aber auch mit einem Berg an Retouren konfrontiert. Zalando etwa, Europas Branchenprimus, hat 2015 gut 55 Millionen Bestellungen auf den Weg gebracht. Die Hälfte aller Artikel wandert nach dem Auspacken wieder ins Paket und geht zurück. Vielfach deswegen, weil die Größe nicht passt.
Da sich Angaben wie S oder M mitunter als wesentlich dehnbarer erweisen als das gelieferte Stück Stoff, generiert Fit Analytics individuelle Größenempfehlungen. Händler integrieren das Beratungstool des Startups in ihren Shop und Kaufinteressierte machen einige Angaben zu Figur und präferierter Passform. Dann erfahren sie, wie viele ihnen vergleichbare Kunden den entsprechenden Artikel in dieser oder jener Größe behalten haben. Das Ergebnis: Die Retourenquote sinkt.
Beratungsfunktionen dieser Art haben für Händler mehrere Vorteile. So können sie auch die Größe des Warenkorbs erhöhen. Das Verringern der Rücksendungen gilt aber als Königsdisziplin. „Von den verbreiteten Lösungen sind wir die Einzigen“, heißt es bei Fit Analytics, „die das nach wie vor garantieren und auch einhalten können.“ In der Praxis bedeutet das: Die Rücksendungen gehen um drei bis sechs Prozent zurück. Bisweilen liest man von ähnlichen Angeboten, die mehr in Aussicht stellen. „Versprechen von 50 Prozent sind völlig an den Haaren herbeigezogen“, sagt Poralla. Die Gründe für die Rückgabe sind schließlich vielfältig. Mal kratzt die Wolle, mal sieht die Farbe nach nichts aus.
Die Kundenliste des Berliner Startups wächst schnell, im letzten Jahr um mehr als 50 Prozent. Etliche Branchengrößen wie Hugo Boss oder The North Face zählen zu den Partnern. Profitabilität, deutlich mehr als 10 Millionen Empfehlungen pro Monat und einen Fuß im Land der unbegrenzten Möglichkeiten – zu diesen Erfolgen gelangten Firmengründer Schulze und seine Mitstreiter allerdings nicht auf der Luftlinie. Fit Analytics, gegründet 2014, ist der zweite Anlauf. Am Anfang, das war 2010, stand mit Upcload ein anderer Lösungsansatz für dasselbe Problem. Per Webcam wurden die Maße des Kunden exakt erfasst. „Aus technologischer Sicht war und ist das Produkt hervorragend“, sagt Poralla, „nur haben wir in unserer Begeisterung die Bereitschaft der Nutzer, fünf Minuten zu investieren für vielleicht nur ein T-Shirt, ein bisschen überschätzt.“ Kundenorientierung ist das Zauberwort.
Das junge Team entschied sich schließlich beherzt für eine Kurskorrektur. „Natürlich gab es Widerstände, natürlich musste argumentiert werden“, sagt Poralla. Es war schließlich ein Abrücken von dem, was Kunden und Investoren überhaupt erst überzeugt hatte. Gleichwohl: „Sie haben uns nicht den Stecker gezogen. Das rechnen wir ihnen nach wie vor hoch an.“ Heute hat das Unternehmen 35 Mitarbeiter, zwei davon sitzen in Prag. Ende des Jahres sollen es 40 sein. Die Entscheidung umzudenken, sie war nicht einfach. Aber sie hat sich ausgezahlt.
Flüge, die auf direktem Weg von Berlin nach San Francisco gehen, gibt es übrigens nicht.
Autor: Christoph Lauer, DTIHK
Quelle Logo, Teamfoto und Screenshot: Fit Analytics