„Viel Politik im Moment“
Ein Automobilzulieferer bewahrt die Ruhe. Und in der liegt die Kraft
„Wir werden ein verlässlicher Partner bleiben, bis der letzte Verbrennungsmotor vom Band gerollt ist“. Klingt wie Marketing-Sprech eines Unternehmens, das die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat. Aber dem hemdsärmeligen, zupackenden Georg Keseberg glaubt man so einen Satz irgendwie. „In den nächsten zwei, drei Jahrzehnten wird der Verbrennungsmotor sicherlich weiterhin Bestand haben“, ist der Chef des Automotive-Zulieferers Mubea im mittelböhmischen Žebrák überzeugt. Besonnenheit und Beharrlichkeit sollen auch in diesen unruhigen Zeiten die Geschäftsentwicklung bei Mubea auf Erfolgskurs halten.
Mubea ist eines dieser deutschen Familienunternehmen, die über Jahrzehnte kontinuierlich zu Global Playern gewachsen sind. Wer bewundernd vom „German Mittelstand“ spricht, der meint ein Unternehmen wie dieses. Der Geschäftsführer des tschechischen Standortes in Žebrák ist sein gesamtes Arbeitsleben lang Teil dieser Familie. Seit gut 38 Jahren. Georg Keseberg kommt nicht nur aus Attendorn, dem Ort der Konzernzentrale, er hat in der Firma seine Lehre als Maschinenschlosser absolviert und sich dort auch sein Maschinenbaustudium schon damals „dual“ eingerichtet. Keseberg hat seit 1995 die Mubea-Standorte in Tschechien mit aufgebaut, seit 1999 ist er mitverantwortlich für einen außergewöhnlichen Wachstumskurs.
Das Unternehmen hat in Žebrák mit seinen rund 1700 Mitarbeitern mittlerweile einen Jahresumsatz von fünf Milliarden Kronen erreicht. Riemenspannsysteme – also Teile für den Verbrennungsmotor, aber auch Chassis-Komponenten sowie Carbonstrukturteile für das Luxussegment stellt das Unternehmen her. „Alle sieben Jahre haben wir verdoppelt. Das war schon ein Wachstum, das war stramm“, erzählt Georg Keseberg. Das geht aber nicht nur mit der mittelständischen Beharrlichkeit. Es braucht auch den Mut, im richtigen Augenblick zuzupacken – egal ob es um neue Geschäftsmodelle oder Ausbildung geht.
Unglaublich. Das war ein Museum
Das war vor 15 Jahren so, als Mubea auch in Tschechien zu einem dualen Ausbildungsbetrieb wurde. „Wir verlieren hier gerade zwei Generationen Ausbildung“, hatte sich Keseberg schon damals bei der DTIHK über das tschechische Ausbildungssystem beklagt. Nicht dual, fast nur Theorie in veralteten Berufsschulen, geringes Ansehen und wenig Geld. Das wollte niemand absolvieren, und Keseberg wollte das ändern.
Er persönlich geht auf die Suche nach einem Fachmann und überredet den stellvertretenden Direktor einer Berufsschule in Hlinsko, Lubomír Janda, zu einer zweiten Karriere als dualer Ausbildungsmanager bei Mubea. „Das war das Beste, was uns passieren konnte“, erinnert sich Keseberg. Ein Mann mit Erfahrung, der bereit war, noch mal was Neues zu starten. Die Berufsschule in Hlinsko zeigte dem Mubea-Chef, wie groß das Ausbildungsproblem im Land war. „Unglaublich. Das war ein Museum. Heruntergekommen. Man merkte, da wurde nicht mehr investiert“.
Heute durchlaufen zeitgleich an den Mubea-Standorten in Žebrák und Prostějov ganze 250 Azubis eine duale Ausbildung. Ein Riesenerfolg, der in Zeiten des heftigen Fachkräftemangels auch auf Neid stößt. „Andere Unternehmen gucken uns mit Argusaugen an“, erzählt Keseberg, „und versuchen dann unsere Leute teilweise abzufischen.“
Auseinandernehmen und beackern
In den kommenden Jahren wird es mit dem Wachstum wohl nicht ganz so weitergehen, das zeichnet sich ab. Die Automobilindustrie steckt in einer Umbruchphase, in der auch mal schnell die falsche Entscheidung getroffen wird beim Versuch, keinen Trend zu verschlafen. Keseberg zweifelt, ob das alles so „grün“ ist mit der E-Mobilität. „Viel Politik im Moment. Aber wir haben ausgezeichnete Ingenieure, die sich genau damit befassen, neue Aufgabengebiete und Ideen zu erkennen und zu entwickeln.“ In Žebrák entsteht gerade ein neuer Forschungs- und Entwicklungsbereich für Riemenspannsysteme. Und im Fuhrpark der Konzernzentrale in Deutschland gibt es zum Beispiel einen Firmenwagen mit Wasserstoffantrieb. „Da wird so ein Auto dann auch gern mal auseinandergenommen und geguckt, wo Felder sind, die wir beackern können“, lacht Georg Keseberg.
Text: Christian Rühmkorf, Finja Heitmann