Škoda-Chef Bernhard Maier: „Silodenken ist out, partnering ist key!“
Interview mit dem Škoda-Vorstandsvorsitzenden Bernhard Maier über eine Branche in Bewegung
Bernhard Maier hat die Führung von Škoda Auto 2015 mitten in der Dieselkrise übernommen und sollte die tschechische VW-Tochter auf einen neuen Kurs bringen. Dabei hat er 2018 mal eben das erfolgreichste Unternehmensjahr in der Škoda-Geschichte bewerkstelligt. Doch wie geht´s nun weiter mit der ganzen Branche und einem neuen Begriff von Mobilität?
Herr Maier, welche Eindrücke vom Stand und Zustand der Automobilbranche nehmen Sie von der IAA mit nach Hause?
Das diesjährige Motto lautete ja „driving tomorrow“. Diesen Mindset hat man überall auf dem Messegelände gespürt. Seit einigen Jahren sprechen wir über den Umbruch unserer Industrie, jetzt erleben wir ihn faktisch. Wir bei Škoda haben zum Beispiel unsere ersten beiden elektrifizierten Serienmodelle vorgestellt, den Superb iV als ersten Plug-in-Hybrid und den Citigoe iV als erstes reines E-Auto. Klar ist allerdings auch: Mit der Autoindustrie befindet sich auch die IAA im Umbruch. Die Proteste verschiedener Initiativen und Umweltorganisationen sind Beleg für den aktuellen intensiven klimapolitischen Diskurs in der Gesellschaft. Ich bin dafür, dass wir dabei alle Emittenten an einen Tisch holen und gemeinsam besprechen, wie wir auf allen Feldern – nicht nur beim Automobil – besser werden können.
Škoda Auto startet in diesem Jahr in die Elektromobilität und wird bis Ende 2022 zehn elektrifizierte Modelle einführen. Škoda setzt voll auf Strom, obwohl das nicht unumstritten ist. Wie groß ist also das Risiko bei dieser strategischen Entscheidung? Und wie flexibel kann sich das Unternehmen gegebenenfalls noch auf andere Antriebe einstellen?
Für uns steht fest: Die Zukunft des Autos ist elektrisch. Wir investieren deshalb alleine bis 2022 zwei Milliarden Euro in neue Antriebstechnologien und Mobilitätslösungen. Wir rechnen damit, dass unsere elektrifizierten Modelle bis 2025 einen Anteil von 25 % an unserem Gesamtabsatz ausmachen. Das bedeutet jedoch auch, dass sich drei Viertel unserer Kunden nach wie vor für einen Verbrenner entscheiden werden. Unser großer Vorteil ist, dass wir beide Technologien – Verbrenner und E-Antrieb – an einem Standort, auf einer Linie am Stammsitz zu Beginn in Mladá Boleslav bauen. Wir können dadurch flexibel auf die Nachfrage unserer Kunden reagieren. Auf Konzernebene forschen wir zudem intensiv an weiteren Antriebstechnologien. Auch Erdgas spielt für uns eine große Rolle: Mit dem Kamiq G-TEC und Scala G-TEC haben wir gleich zwei hochattraktive Erdgasmodelle auf der IAA vorgestellt.
Hemmschwellen für den Kauf eines Elektroautos sind neben der geringeren Reichweite vor allem der hohe Anschaffungspreis und die noch dünne Lade-Infrastruktur. Die Signale der tschechischen Regierung zur Förderung der eMobilität sind bisher eher negativ. Auf welchen Forderungen gegenüber der Regierung beharren Sie dennoch?
Der grundlegende Wandel vom Verbrenner zum E-Auto gelingt nur gemeinsam, mit allen Stakeholdern: Industrie, Politik, Versorgern und Verbrauchern. Wir leisten unseren Beitrag, indem wir die richtigen Modelle zur richtigen Zeit auf den Markt bringen: Mit kurzen Ladezeiten, hohen Reichweiten und vertretbaren Preisen. Es zeigt sich allerdings auch, dass wir noch einigen Nachholbedarf haben, zum Beispiel bei der Ladeinfrastruktur. Deshalb investieren wir 19 Millionen Euro, um bis 2022 rund 1.500 Ladestationen in und um unsere drei tschechischen Werke Mladá Boleslav, Kvasiny und Vrchlabí aufzubauen.
„Wir gehen damit erheblich in Vorleistung”
Wir tun das, weil wir von der Technologie überzeugt sind. Klar ist jedoch auch, dass auch die öffentliche Hand ihre Rolle übernehmen muss, beispielsweise beim Ausbau der Ladeinfrastruktur oder der Incentivierung der eMobilität, um den Hochlauf der Technologie in Tschechien zu beschleunigen, wie es aktuell auch viele andere europäische Länder tun. Am besten wäre eine europaweite, einheitliche Förderung.
Autohersteller sind nie in das Tankstellengeschäft eingestiegen. Škoda will aber selber hunderte Ladestationen in Tschechien bauen. Ist das ein eigenes neues Geschäftsmodell oder nur ein Anreiz für den Kauf von eAutos?
Auch wir haben nicht vor in das Tankstellengeschäft einzusteigen. Uns geht es in einem ersten Schritt um die Versorgung unserer Mitarbeiter an den tschechischen Standorten. Ich bin überzeugt, dass dieses Beispiel Schule machen kann, quasi als Service aller Unternehmen für ihre Beschäftigten. Darüber hinaus legen wir im Konzernverbund europaweit schon einmal vor und bauen auf den Hauptverkehrswegen Schnellladesäulen – zum Beispiel über das Gemeinschaftsprojekt Ionity, bei dem neben dem Volkswagen Konzern Daimler, Ford und BMW mitmachen. Hier in Tschechien hat Škoda schon jetzt eine enge Kooperation mit ČEZ und wird allen Citigoe iV-Kunden kostenloses Laden innerhalb der Tschechischen Republik im ersten Jahr anbieten.
„Noch lange Freude daran haben, selbst zu fahren”
Kommen wir auf die Zulieferindustrie in der Autobranche zu sprechen. Laut unserer jährlichen Konjunkturumfrage gehören gerade die „Verfügbarkeit und Qualität lokaler Zulieferer“ zu besten Standortfaktoren in Tschechien. Was geschieht nun aber mit den Zulieferern, die bisher auf Teile für die komplizierten „Verbrenner“ spezialisiert waren, und wie verändert Ihre strategische Entscheidung für die eMobilität die Zusammenarbeit mit den Zulieferern?
Auch bei den Lieferanten von klassischen Motor- und Getriebeteilen wird es langfristig Anpassungen geben müssen und wir sehen, dass unsere Geschäftspartner sich bereits heute strategisch zu anderen Geschäftsfeldern hin orientieren. Allerdings wird sich bei Škoda der Bedarf an Komponenten für Verbrenner Fahrzeuge in absoluten Zahlen in den nächsten 2 bis 3 Jahren sogar noch steigern und erst mittelfristig angleichen. Das gibt unseren Partnern ausreichend Zeit, mit uns gemeinsam neue Geschäftsfelder zu erschließen.
Auch die Digitalisierung und die umfassende Vernetzung der Unternehmen stellen das bisherige Verhältnis zwischen Hersteller und Zulieferern gewiss auf die Probe. Bereiten Sie selbst als Unternehmen Ihre Zulieferer auf diese Zukunft vor mit Tutorials oder Workshops?
Bereits heute arbeiten wir über unser Lieferantenportal durchgängig digitalisiert mit unseren Lieferanten zusammen. Das gilt für den gesamten Prozess von der Anfrage über die Verhandlung bis hin zur Beauftragung, die Disposition und die Fakturierung. Zukünftig werden wir gemeinsam mit unseren Lieferanten weitere Potenziale heben, die wir aus einer intelligenten Nutzung dieser großen Menge an elektronischen Footprints erschließen. Da kommen dann auch verschiedene AI-Ansätze zum Einsatz, die uns gemeinsam vor allem eine noch größere Flexibilität in der Zusammenarbeit ermöglichen werden.
Was ist in diesen Zeiten des Wandels und des sich ankündigenden Abschwungs Ihre Botschaft an die Zulieferindustrie?
Mir sind drei Dinge wichtig: Erstens, dass wir auf allen Feldern noch enger zusammenzuarbeiten. Silodenken ist out, partnering ist key! Zweitens, dass wir noch mehr Geschwindigkeit aufnehmen und agiler werden. Und drittens: Dass wir gemeinsam – OEM (Original Equipment Manufacturer) und Zulieferer – die Chancen sehen und ergreifen, die sich durch den Transformationsprozess ergeben.
Das autonome Fahren – ist der Trend nicht das Ende des Privatwagens und der Beginn eines neuen individualisierten öffentlichen Personenverkehrs? Könnte also Škoda Auto nicht irgendwann zum Hersteller autonom fahrender „öffentlicher Verkehrskapseln“ o. ä. werden?
Das klingt spannend! J Im Ernst: Das Auto wird mit dem autonomen Fahren neben Büro und Zuhause zum perfect third place. Die Fahrer – oder besser die Nutzer – werden viel mehr Zeit haben, über die sie frei verfügen können. Deshalb ist meine persönliche Einschätzung auch, dass wir in Zukunft deutlich mehr Zeit im Auto verbringen als bisher. Allerdings ist die individuelle Mobilität und mit ihr besonders das Automobil der Inbegriff von Freiheit und Motor einer prosperierenden Gesellschaft. Bis wir uns alle nur noch in autonomen Fahrzeugen bewegen, ist es noch ein langer Weg. Das heißt wir werden noch lange Freude daran haben, auch selbst zu fahren.
Sie, Herr Bernhard Maier, haben als Škoda-Chef das bisher erfolgreichste Unternehmensjahr 2018 in der Geschichte zu verantworten. Haben Sie in schlaflosen Nächten nicht die Sorge, dass mit der Elektromobilität, der starken internationalen Konkurrenz und dem autonomen Fahren die Erfolgskurve – sprich der Absatz – nur nach unten gehen könnte?
Wir sind mit unserer Strategie 2025 gut aufgestellt, unsere Produkte kommen weltweit gut an und die Nachfrage übersteigt nach wie vor das Angebot. Ein gutes Zeichen, wie ich meine, und gleichzeitig eine echte Challenge. Wir arbeiten intensiv an einer Ausweitung unserer Kapazitäten für unsere Kunden und auch um den Transformationsprozess zu finanzieren. Deshalb haben wir ein umfangreiches Performance Programm auf den Weg gebracht: Mit einem Ergebniseffekt von 4,9 Milliarden Euro bis 2025 für Investitionen in Produkte, Märkte und Menschen. Und ja, wir werden uns verändern: Vom klassischen Automobilhersteller zur „Simply Clever Company for best mobility solutions“. In der Welt von morgen wird es multimodale Möglichkeiten geben, um von A nach B zu kommen – auch für Menschen, die bisher noch nicht oder nicht mehr Auto fahren. Das heißt, der Mobilitätsbedarf wird steigen. Ich blicke deshalb – bei aller Volatilität in Geopolitik und Weltwirtschaft – mit großer Zuversicht in die Zukunft.
Interview: Christian Rühmkorf
Foto: Škoda Auto