Interview mit Dagmar Pecková & Pavel Kuka

Zwei, die nicht das Zeug dazu hatten. Angeblich.

Eine berühmte Opernsängerin und eine Legende des tschechischen Fußballs. In Deutschland gelangten Dagmar Pecková und Pavel Kuka in unterschiedlichen Disziplinen zu internationalem Ruhm, doch das Schicksal führte sie auf dasselbe Feld: Wembley-Station, Finale der Fußball-EM 1996. Sie sang die tschechische Nationalhymne vor Königin Elisabeth und 73.000 Zuschauern, er stürmte das Tor. Der Gegner im Kampf um den Pokal war der große westliche Nachbar Deutschland, das zweite Zuhause für Dagmar Pecková und Pavel Kuka.

Dagmar Pecková, was bedeutet Ihnen Fußball?

DP: Mein größtes Fußballerlebnis war natürlich im Wembley Stadion, 1996. Aber schon als ich ein kleines Mädchen war, sagte man meiner Mutter oft, sie habe da eher einen „verunglückten“ Jungen bekommen. Ich war immer mit den Jungs auf dem Fußballplatz. Klavier spielen lernen wollte ich nicht, ich wollte eigentlich gar nichts lernen. Aber ich hatte Spaß am Ball. Nur meine Mitspieler mochten mich nicht, weil ich immer Eigentore geschossen habe.

Und Pavel Kuka, was bedeutet Ihnen Musik?

PK: Emotionen. Ich mag Musik. Musikhören ist für mich sehr stark mit dem Unterwegssein und dem Auto verbunden, das ist für mich eher eine Art Entspannung. Manchmal schalte ich sogar auf klassische Musik um… und dann kommen die Emotionen ins Spiel. Aber ich kann nicht sagen, dass ich oft klassische Musik höre.

DP: Wenn Ihnen klassische Musik so gut gefällt, dass sie Emotionen hervorruft, dann kann ich nicht verstehen, warum Sie sie nicht öfter hören!

PK: Ich bin ein Kulturbanause.


Was bedeutet Ihnen beiden Deutschland?

DP: Meine zweite Heimat. Ich habe ja in Ostdeutschland angefangen, in Dresden, 1985. Im Tschechischen Nationaltheater wollten sie mich damals nicht, denn ich war Operetten- und Musicalsängerin, das kam für sie nicht in Frage. Ich war traurig und enttäuscht. Wenn die Moldau damals nicht zugefroren gewesen wäre, weiß Gott, wie es ausgegangen wäre. In Deutschland hatten sie dieses Vorurteil nicht. Ein Freund aus dem Opernstudio Dresden sagte damals: „Komm und probier´s bei uns.“ Der Chef kam auf mich zu, umarmte mich und sagte mir, dass ich eine herrliche Stimme habe und sein Schatz sei. Kein Wunder also, dass Deutschland mir so viel bedeutet…

PK: Ich habe das gleiche Gefühl gehabt, zwar nicht ganz so stark, aber die tschechischen Trainer haben mir zweimal gesagt, dass ich nicht das Zeug dafür habe. Deswegen habe ich nie in der Jugendliga gespielt, ich war angeblich nicht geeignet. Mit 17 Jahren habe ich angefangen, in der Erwachsenenliga zu spielen, allerdings in einer niedrigeren. Am Ende bin ich dadurch dann aber ganz woanders gelandet. Ich ging im Grunde als nicht wirklich anerkannter Spieler nach Deutschland. Und in Kaiserslautern kam nach 2-3 Trainingseinheiten der Trainer Friedel Rausch zu mir und sagte: So einen Spieler wie dich haben wir hier nicht, brauchen wir aber!

„Jedes Mal, wenn ich die Grenze überquere, fühle ich mich dort sauwohl.“


Der Anfang in Deutschland war sicher nicht einfach …

DP: Am Anfang habe ich auch jede Nacht auf meinen gepackten Koffer gesessen und geweint. In Prag war ich eine beliebte Operetten- und Musical-Diva mit 10 Jungs an jedem Finger. Und in Dresden – nichts da! Das war zum Verzweifeln im ersten halben Jahr.

PK: Da gibt es einen kleinen Unterschied zwischen uns beiden. Fußballer waren damals beliebt, vor allem in Westdeutschland. Wie auch immer, am Anfang war es schwer, aber ich kann das Gefühl bestätigen, dass Deutschland eine zweite Heimat ist. Jedes Mal, wenn ich die Grenze überquere, fühle ich mich dort sauwohl. Was hier vielleicht nicht so gut ankommt…


Wie hat sich Ihr Blick auf das eigene Land während Ihrer Karriere in Deutschland verändert? Distanz hilft oft, die Dinge klarer zu sehen.

PK: In meinem Falle war das ganz klar. Ich habe gesehen, wie die man Dinge machen kann – und wie man sie eben nicht machen sollte – und welcher Weg zu mehr Erfolg führt als der, den wir hier erlebt haben. Aber das lag wahrscheinlich an den 40 Jahren Kommunismus. Ich bin davon überzeugt, dass all diese Dinge, mit denen wir noch kämpfen, durch diese brutalen und furchtbaren 40 Jahre verursacht wurden, voller physischer und moralischer Zerstörung von Menschenleben.

DP: Ich habe immer noch den Eindruck, dass das, was in Deutschland passiert, in unserem Land in 10, 15 Jahren erst kommt mit Tendenz hin zu 20 Jahren. Und die Tschechen wollen nicht aus Fehlern oder aus Dingen lernen, die Deutschland gut gemacht hat. Wir stellen jetzt hier die Deutschen an den Pranger, weil sie ihre Atomkraftwerke abgeschaltet haben und ich weiß nicht, was noch… Aber sie diskutieren seit mindestens 40 Jahren darüber, wohin mit dem Atommüll. Hier in der Tschechischen Republik kümmert das niemanden. Wir lassen uns nicht reinreden, machen alles stur auf eigene Faust, und am Ende kommen wir zu demselben Schluss wie die Deutschen vor 20, 30, 40 Jahren.

„Bei den Proben einen minutiösen Zeitplan auf die Minute genau.“


Es heißt immer, die Tschechen improvisieren und die Deutschen planen. Gilt das noch? Oder wie war es mit den Proben im Theater, den Konzerten, dem Training und den Spielen? Ein deutlich anderer Ansatz in Deutschland als in Tschechien?

DP: Deutlich. Und so ist es bis heute. In Tschechien wird man mit den Füßen zuerst aus dem Theater getragen. In Deutschland und in der westlichen Welt gibt dir kein Theater eine dauerhafte Anstellung, wenn du nicht wirklich erstklassig bist. Hier singt man zum Beispiel dreimal im Jahr als Solist an der Prager Staatsoper, die restliche spaziert man im Park neben dem Theater, aber man bekommt jeden Monat sein Gehalt. Da soll sich niemand wundern, dass es kein Geld für Kultur gibt, es wird zum Fenster hinausgeworfen. Ansonsten ist in Deutschland natürlich alles „penibel“ – geplant, bei den Proben gibt es einen Zeitplan auf die Minute genau.

„Brutale Trainings und Spiele vor 3.000 Zuschauern“


Als Sie nach Kaiserslautern kamen, hat man Ihnen gesagt, dass es so einen Spieler wie Sie in Deutschland nicht gibt. Talent, vielleicht eine andere Spielweise in Tschechien. Gab es Unterschiede in der Herangehensweise beim Training?

PK: Heute ist das schon anders, aber interessant war, dass es in Deutschland einfacher war, zu trainieren und zu spielen. Aus Tschechien kannte ich die brutalen Trainings und Spiele vor 3.000 Zuschauern. Das drückt die Motivation, und man will eigentlich dann vor allem in die entwickelten Fußballländer kommen, in die Top Five – Premier League, Bundesliga, italienische Liga, Spanien, Frankreich. Ich habe das zum Glück geschafft. Aber wenn man bleibt, dann stumpft man ab. Die Spieler können sich kaum noch verbessern. Das ist der Hauptunterschied. In Deutschland haben wir moderner trainiert, alles war viel einfacher. Und es kamen 50.000 Zuschauer zum Spiel. Da brauchte man sich nicht zu motivieren oder zu quälen. Das ging wie von selbst. Einmal dort, war es für mich sehr einfach und angenehm.

DP: Aber wie man sieht, wollen die meisten – nicht nur vom Fußball, sondern auch aus der Kultur – weg von hier. Und wenn man den richtigen Moment verpasst und dann hier in diesem abgestandenen Teich bleibt, dann gibt es keine Zukunft.

PK: Im Sport ändern sich diese Zeiten. Wir sind jetzt in Europa konkurrenzfähig, zumindest finanziell. Außerdem hat sich im Vergleich zu früher auch im Westen vieles geändert, wo es jetzt aufgrund der großen Migration auch einen enormen Wettbewerb gibt.

Sind sich unsere Länder heute näher als in den 1990er Jahren, oder eher weniger?

PK: Ich glaube, sie sind sich näher. Ich glaube, viele Menschen haben Angst, ihre Meinung zu äußern, wir sagen uns nicht die Wahrheit. Die Leute wollen, dass unsere Kultur und unsere Traditionen erhalten bleiben, Menschen können sich innerhalb von 50 Jahren nicht ändern. Wenn jemand von einem anderen Kontinent oder aus einer anderen Kultur kommt, braucht er Tausende von Jahren, um sich zu verändern. Jetzt vermischt sich das alles sehr schnell, und das kann und bringt jetzt bereits eine Menge Probleme mit sich, in beiden Ländern. Und die Probleme werden immer mehr eskalieren…


Sie sagen, die Länder sind sich näher, aber eher im negativen Sinne? Sie haben die gleichen Probleme?

PK: Ja.

DP: Wir haben auch einige populistische Politiker, die zwar versuchen, die von Ihnen geschilderten Probleme anzusprechen, aber eben auf eine dumme, populistische Weise. Leider haben wir uns in den letzten 500 Jahren gegenüber der Dritten Welt auch nicht gerade von der besten Seite gezeigt. Alles ist kompliziert und hat seine Gründe. Unsere Gegenwart ist eine Folge davon.


Sie beide haben eine ganze Reihe von Erfolgen hinter sich. Was ist Ihrer Meinung nach Ihr größter?

PK: Ich denke, das Engagement im Ausland. Und natürlich das Angebot von Manchester United. Das war für mich, für diesen Jungen, der im Kommunismus aufgewachsen ist, dann doch zu viel.

DP: Mein größter Erfolg ist, dass ich mich 30 Jahre lang im Ausland gehalten habe. Ich glaube nicht, dass das hier jemand anderes in diesem Bereich vorweisen kann. Ich stehe seit 42 Jahren auf der Bühne, 30 volle Spielzeiten auf ausländischen Bühnen. Das ist wohl mein größter Erfolg.

„Ich habe mir gesagt: Ich werde es euch zeigen.“


Leidenschaft spielte wahrscheinlich eine wichtige Rolle…

DP: Und auch eine wahnsinnige Dickköpfigkeit. Bei mir hat es, glaube ich, damit angefangen, dass ich mir gesagt habe: Ich werde es euch zeigen! Als man mir gesagt hat, ich hätte kein Talent, ging ich woanders hin. Und innerhalb von zwei oder drei Jahren war ich in Berlin, Paris, London, überall. Es war ein kometenhafter Aufstieg. Dann musste ich natürlich zusehen, mich dort auch zu halten. Das ist noch viel schwieriger als aufzusteigen. Hartnäckigkeit, aber auch harte Arbeit.

„Habe mich in ein deutsches Mädchen verliebt.“


PK: Stimmt, das ist im Sport genauso. Wahrscheinlich hat das auch ein bisschen mit Genen zu tun, denn wir waren eine Fußballerfamilie, ich habe viel von meinem Vater geerbt. Eine weitere wichtige Sache: Disziplin. Ohne Disziplin kann man im Sport nichts werden. Und ich muss zugeben, dass ich schon als Junge davon geträumt habe berühmt zu werden. Das war eine riesige Motivation. Und dazu kam: Als ich 18 war, habe ich mich in ein deutsches Mädchen verliebt. Sie war sehr hübsch, aber ich verstand kein einziges Wort. Ich versprach ihr, dass ich eines Tages zurückkommen würde. Aber als ich später nach Deutschland kam, war ich bereits verheiratet.

In der Wirtschaft treffen Manager oft rational ihre Entscheidungen, möglichst unbeeinflusst von Gefühlen. Wie wichtig waren Emotionen in Ihrer Karriere?

DP: Für die weisen Entscheidungen haben auch wir einen Manager. Mit meinem Hitzkopf könnte ich nicht viel aushandeln und erreichen. Ich bin ein sehr direkter Mensch, und wenn mir etwas nicht gefällt, sage ich das ganz deutlich. Auf diese Weise käme ich wirklich nicht weiter. Und natürlich: Als Künstler geht es nicht ohne Emotionen. Sie sind dein Ausdrucksmittel, sei es die Farbe der Stimme, der Ausdruck, die Körpersprache…

PK: Interessanterweise ist es bei uns Sportlern genau dasselbe. Emotionen sind ein Muss. Im Fußball gibt es Agenten, die sie kanalisieren. Das deutsche Wort „Spielberater“ beschreibt es besser: Er berät, aber die Entscheidung muss der Spieler am Ende selber treffen.

„Dann schaltet man auf Autopilot.“


Wie nehmen Sie das wahr, wenn die Dinge, die Sie so erfolgreich gemacht haben, mit dem Alter langsam verblassen? Wie gehen Sie damit um? Eine zweite Karriere auf die Beine stellen?

DP: Stimmbänder, das sind zwei kleine Muskeln. Klar, dass all der Druck, nicht nur der äußere, sondern vor allem der psychische, eine ziemliche Auswirkung auf die Stimme hat. Hinzu kommen die physischen Veränderungen im Körper einer Frau jenseits der 50. Dann schaltet man auf Autopilot – das ist schrecklich, das wünsche ich niemandem. Und dann muss man sich eingestehen, dass es auch mit Autopilot nicht mehr geht. In meinem Alter singt eigentlich niemand mehr. Auf der Bühne Großmütter zu spielen, würde mir keinen Spaß machen. Was also tun? Manchmal singe ich noch, gebe Konzerte, mir macht es Spaß, Lieder von Kurt Weill zu singen. Dann hat mich der Leiter der Schauspielabteilung in Mladá Boleslav überrascht, wo sie ein schönes Theater haben. Er sagte: Frau Pecková, Callas und Terence McNallys Meisterklasse, kennen Sie das? Ich sagte: Nein. Er fragte: Würden Sie es gerne spielen? Oh, ja! Dann bekam ich ein Textbuch mit 44 dicht beschriebenen Seiten, ich als Hauptfigur. Aber ich habe es geschafft! Morgen spielen wir im Kalich-Theater, dann nochmal im November. Am Ende ist es wie beim Vorsingen in Dresden 1985: Man bekommt den Zuschlag für etwas und es entwickelt sich eine ziemlich gute Sache daraus. Nur nichts bereuen! Etwas endet, etwas Gutes beginnt.

PK: Ich denke, man lernt immer, entwickelt sich immer weiter. Ich habe von meinen Erlebnissen gelernt, auch wenn es vorbei ist. Dann lerne ich, damit umzugehen. Nicht nur im Sport, sondern auch im Privatleben. Als mein Vater gestorben ist, das war eine große Veränderung in meinem Leben. Plötzlich weiß man, warum man bestimmte Dinge getan hat. Ich wollte auch etwas Normales machen, etwas, das einen Unterschied macht: zum Beispiel Wohltätigkeit, Menschen helfen. Fußballer stehen ja im Ruf, ein leichteres Leben zu führen, also versucht man sich zu engagieren, und man lernt immer weiter.


„Die Erwartungen der Welt an uns und unsere Erwartungen an die Welt.“


Erinnern wir uns an die Europameisterschaft 1996: das Finale, die Queen, Helmut Kohl, Václav Havel, über 70.000 Menschen. Zwei Nachbarländer, die Tschechische Republik und Deutschland, es kann nur einen Sieger geben. Dagmar Pecková am Mikrofon, Pavel Kuka am Ball…

DP: Für mich war es etwas ganz Unglaubliches: Die Mannschaft repräsentierte die damalige Republik, Václav Havel, die offenen 1990er Jahre, die Erwartungen der Welt an uns und unsere Erwartungen an die Welt. Neben mir Boris Becker, Kohl, Havel, die Queen. Ein unglaubliches Gefühl, eine unglaubliche Erfahrung. Das werde ich niemals vergessen… Ich war eigentlich für beide Seiten.

Für Sie, Pavel Kuka, war es schwieriger – Sie haben sicherlich kaum etwas wahrgenommen um sich herum, Sie mussten sich ja furchtbar konzentrieren bei 73.000 Leuten, die Fußball sehen wollten, nicht Helmut Kohl oder Václav Havel.

PK: Ehrlich gesagt, habe ich nicht einmal die Queen bemerkt. Mir war jeder Händedruck, jede Königin egal. In diesem Moment hatte ich nur eines im Kopf: große Nervosität und Emotionen. Das war alles.

Wer war Ihr Gegenspieler in der deutschen Mannschaft? Wer sollte Sie kontrollieren?

Im Finale war es Markus Babbel. Zum Glück ist ihm das nicht so gut gelungen. Es war ein gutes Spiel für mich. Nur dass ich wie üblich nicht getroffen habe.

„Lag schon schlafend auf dem Tisch …“


Dagmar Pecková hat den Ton getroffen, Sie haben das Tor nicht getroffen?

PK: Ich habe Torwart Köpke getroffen! Das war mein größter Gegner. Andy Köpke. Mit dem habe ich in Nürnberg gespielt, toller Typ. Wir sind immer noch in Kontakt. Als mein Sohn geboren wurde, rief mich Andy vom Flughafen in Prag aus an. Er ist aus Bremen eingeflogen, um unseren Sohn zu feiern. Das war eine tolle Überraschung und Erfahrung für mich. Die ganze tschechische Nationalmannschaft war bei der Feier, weil wir am Mittwoch ein Länderspiel hatten. Als Andy sah, wie alle feierten, fragte er nur: „Und die sollen am Mittwoch spielen?!“ Und ich sagte: „Ja, die spielen alle am Mittwoch.“ Honza Koller lag schon schlafend auf dem Tisch… Und das Spiel? Wir haben 1:0 gegen die Slowaken gewonnen, Honza hat getroffen.


Sie haben beide Kinder. Wie bringt man das Familienleben mit dem Berufsleben unter einen Hut? Beruf und Familie, das sind eigentlich zwei Vollzeitjobs. Wie blicken Sie darauf zurück?

PK: Im Sport ist es eigentlich sehr einfach: Wir trainieren einmal am Tag und sind dann den ganzen Nachmittag und Abend zu Hause. Das schweißt die Familie zusammen, vor allem im Ausland.

DP: Ich war eine ziemlich alte Mutter, bekam mein erstes Kind mit 36, mein zweites mit 40. Das war auf dem Höhepunkt meiner Karriere. Meine Managerin meinte damals ganz unverblümt, es gebe ja Abtreibungen. Aber ich wollte das Baby, und habe darüber auch mit niemandem aus der Branche gesprochen, nachdem ich das Baby bekommen hatte. Ich habe es durchgezogen und bin mit dem Baby unter den Fittichen und einem Kindermädchen überall hingereist. Der erste Vater hat sich ausgeklinkt, und dann kam der zweite Vater, mit dem ich das zweite Kind bekam. Er ist Deutscher, ein unglaublich gewissenhafter Mann. Er hatte einen festen Job als Posaunist in einem Orchester. Wir hatten also keine andere Wahl, als ein Kindermädchen zu nehmen. Dann habe ich zum Glück rechtzeitig gemerkt, dass die Kinder überhaupt kein festes soziales Umfeld hatten, deswegen gingen sie dann in den Kindergarten. Sie kannten bislang nur Mama, Kindermädchen und Papa. Dann stand ich natürlich vor der Wahl: zu Hause bleiben mit den Kindern oder auf der Bühne stehen? Diese Schizophrenie war schrecklich. Aber wir haben es geschafft: Mein Sohn ist 26, meine Tochter 21, beide flügge.

Sie engagieren sich beide für wohltätige Zwecke. Dagmar Pecková hat das Festival Zlatá Pecka und organisiert Wohltätigkeitskonzerte…

DP: Gestern haben wir ein Konzert gegeben, um junge Menschen für eine Knochenmarkspende zu gewinnen. Aber ich trete bei vielen verschiedenen Veranstaltungen auf. Das Zlatá-Pecka-Festival habe ich in meiner Heimatstadt Chrudim ins Leben gerufen, ich mache das gemeinnützig. Aber das ist nicht so einfach, die Gemeinderäte der Babiš-Partei ANO nehmen mir meinen Protest gegen den früheren Premier Babiš übel.


Herr Kuka, Sie haben 2008 den Verein Czechteam 96 gegründet. Sie helfen damit ehemaligen Nationalspielern, die nach der Karriere hart aufgeschlagen sind.

PK: Vor allem früher gerieten sie nach Karriereende oft in soziale, finanzielle Probleme. Wir versuchen da zu helfen. Heute ist das zum Glück nicht mehr so nötig, die Zeiten haben sich geändert, es gibt weniger ältere Spieler, die Hilfe brauchen. Wir spielen aber Eishockey und versuchen so, Geld für wohltätige Zwecke zu sammeln. Im Team sind Patrik Berger, Vladimír Šmicer, Karel Poborský, Ivan Hašek, Horst Siegel… Ich kann aber das Übersteigen nur in eine Richtung, also bin ich ins Tor gegangen.

DP: Ein Altersheim für Komponisten und Sänger, die keine Bleibe mehr hatten, gibt es in Mailand schon lange. Verdi hatte es gegründet.


Dagmar Pecková, Pavel Kuka, Ihnen beiden herzlichen Dank für das Gespräch und Ihre Offenheit. Ich freue mich, dass wir Sie beiden Jahrzehnte nach Wembley zusammenbringen konnten – hier in unserer Kuppel. Es war spannend zu sehen, dass, obwohl Sie beide aus unterschiedlichen „Branchen“ kommen, Ihre Geschichten, Ihre Erfahrung aus Deutschland und Ihr Blick auf beide Länder eigentlich sehr ähnlich sind! Ich freue mich darauf, Sie beim Sommerfest zu sehen!

DP: Ich bin froh, dass ich mich von Ihnen überreden ließ. Ich hätte nicht erwartet, dass unsere Erfahrungen so ähnlich sind!

PK: Und ich werde jetzt auf jeden Fall Kultur genießen! (lacht)

Dagmar Pecková
*1961 Chrudim
• Opernsängerin, Mezzosopranistin, Theaterschauspielerin
• studierte am Staatskonservatorium Prag
• Nach einer erfolgreichen Karriere als Operetten- und Musiktheatersängerin begann sie 1985 ihr Opernengagement an der Sächsischen Staatsoper Dresden, mehrere Jahre war sie Mitglied der Staatsoper Berlin.
• Sie trat an Opern- und Konzerthäusern auf der ganzen Welt auf, darunter die Bayerische und Hamburgische Staatsoper, die Carnegie Hall New York, das Royal Opera House Covent Garden London, Amsterdam, Paris, Zürich, Genf.
• 2017 gründete sie das Zlatá Pecka Festival in ihrer Heimatstadt, wo sie als künstlerische Hauptgarantin für Projekte zur Förderung junger Nachwuchstalente tätig ist.

Dagmar Pecková (Foto:Petr Našic)

Pavel Kuka
*1968 Prag
• Stürmer und tschechischer Fußballnationalspieler
• Mitglied des All-Stars-Teams bei der EM 1996, bei der die Tschechische Republik Vize-Europameister wurde
• DFB-Pokalsieger 1996, 1. FC Kaiserslautern
• 1998 Deutscher Meister, 1. FC Kaiserslautern
• Tschechischer Fußballpokal-Sieger 2002, SK Slavia Praha
• Heimatklub SK Slavia Prag, Vereine in Deutschland: 1. FC Kaiserslautern, 1. FC Nürnberg, VfB Stuttgart


Interview: Christian Rühmkorf
Foto: Tomáš Železný

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