Ostrava + Siemens = Entwicklung
Interview mit dem Leiter des neuen F&E-Zentrums, Igor Majer
In Mähren ist der Global Player Siemens schon seit vielen Jahren mit drei Produktionsstandorten für Elektromotoren vertreten. Seit Herbst letzten Jahres stärkt das Unternehmen jetzt mit einem Forschungs- und Entwicklungszentrum in Ostrava seine Innovationskraft. Die soll von hier aus nach Europa und in die westliche Hemisphäre ausstrahlen. Igor Majer baut – gemeinsam mit Siemens-Frenštát – das neue Kompetenzzentrum auf.
Igor Majer, was kann Ihr neues Entwicklungszentrum eigentlich leisten? Und warum Ostrava?
Es geht um ein neues Expertenteam für die Entwicklung von Elektromotoren und Generatoren sowie für Industrie 4.0-Lösungen. Das war eine strategische Entscheidung unseres Vorstands in Deutschland und Tschechien. In den einzelnen Betrieben hat die Produktion in den letzten Jahren stark zugelegt. Und darum muss hier auch die Entwicklung gestärkt werden. Zur Wahl standen Prag, Brünn und Ostrava. Nachdem wir einige Kriterien beurteilt hatten – auch die Verfügbarkeit von Arbeitskräften und die Nähe zu den Produktionsstätten – fiel die Entscheidung auf Ostrava. Ein weiterer Grund war, dass Siemens in Ostrava schon mit der TU (VŠB) gut zusammenarbeitet. Das wollten wir weiter ausbauen.
Ich habe gelesen, dass das F&E-Zentrum auch einen globalen Charakter hat. Worin besteht der? Innerhalb des Konzerns gibt es nur zwei solcher Zentren …
Das stimmt. Das erste Entwicklungszentrum befindet sich in China. Die Produktion in China zielt auf die Märkte in Asien und Australien sowie einen Teil Afrikas. Der andere Produktionsstandort ist Tschechien, und auch der hat einen globalen Charakter. Das heißt, sämtliche von uns hergestellten Motoren exportieren wir vor allem nach Westeuropa, aber auch nach Nord- und Südamerika. Das, was wir hier entwickeln und produzieren, ist nicht nur für den heimischen Markt bestimmt.
Sie haben Industrie 4.0 angesprochen. Was entwickeln Sie für die weitere Digitalisierung der Industrie – im Sinne einer komplexen Konnektivität?
Die Digitalisierung der Produkte und der Fertigungsprozesse sind strategisch ganz entscheidende Faktoren für das Unternehmen. Unser Team wird sich mit Datenarchitektur beschäftigen. Wir entwickeln einen digitalen Produkt-Zwilling, also ein virtuelles Abbild eines realen Produktes mit allen physikalischen Eigenschaften. Der Kunde kann sich 3D-Daten, digitale Zeichnungen, alle Parameter und Informationen herunterladen. Vorgesehen ist das für die weitere digitale Verarbeitung in Clientprogrammen, etwa für die Simulationen von Antrieben, ohne dass der Kunde den echten Motor bereits bestellt. Das tut er erst nach dieser Abstimmung und Optimalisierung des Antriebs. Der Kunde spart Investitions- und Betriebskosten.
Sie beschäftigen derzeit 30 Mitarbeiter, bis zum Jahr 2020 sollen es 100 sein. Finden Sie die in dieser vom Bergbau geprägten Region?
In technischen Berufen gibt es hier eine extrem niedrige Arbeitslosigkeit. Trotzdem glaube ich, dass es uns gelingt. Wir haben auch ein Programm für Hochschulabsolventen, die wir durch erfahrene Kollegen coachen lassen. Bisher hat sich das System bewährt.
Versuchen Sie auch mit irgendwelchen Programmen frühzeitig im Bildungssystem potentielle Mitarbeiter anzusprechen?
Ja. Schon seit einigen Jahren haben wir hier in Ostrava ein sogenanntes Student Office. Wir beschäftigen Studenten aus dem vierten oder fünften Studienjahr. In den Ferien, aber auch während des Semesters arbeiten sie an konkreten Projekten. Die meisten bleiben nach ihrem Abschluss bei uns. Gleichzeitig intensivieren wir die Zusammenarbeit mit der TU Ostrava bei Themen der elektrischen und mechanischen Konstruktion. Dank dieser engen Zusammenarbeit mit Studenten sichern wir uns in Zukunft auch viele hervorragende Bewerber.
An der TU Ostrava steht ein sogenannter Superrechner. Ist der auch für Sie interessant?
Bisher haben wir ihn noch nicht genutzt, aber wir haben es vor. Wir wollen dort verschiedene Simulationen durchführen – etwa im Bereich der Motorkühlung und Optimalisierung oder zur Verarbeitung großer Datenmengen.
Glauben Sie, dass der Region Ostrava wirtschaftlich eine rosige Zukunft bevorsteht?
Das glaube ich. Sonst würde ich hier auch nicht arbeiten.
Interview: Christian Rühmkorf
Bildquelle: Siemens