Interview mit Finanzökonom und Princeton-Professor Markus K. Brunnermeier

Für sein jüngstes Buch „Die resiliente Gesellschaft“ erhielt Markus K. Brunnermeier den Deutschen Wirtschaftsbuchpreis 2021.

„Auf individueller wie auf gesellschaftlicher Ebene haben Menschen die Möglichkeit, Resilienz zu erlernen, wenn sie ab und zu Risiken ausgesetzt sind“, schreiben Sie in Ihrem Buch. Klimawandel, Corona-Pandemie und jetzt Krieg in Europa – sind die Menschen angesichts dieser Krisenfrequenz schon deutlich resilienter geworden?

Man wiegt sich sicherlich weniger in einer Scheinsicherheit und ist auf das Ungewisse besser vorbereitet. Man ist sich auch mehr bewusst, dass man ständig neuen Schocks ausgesetzt ist und dass man besser durch Krisen kommt, wenn man anpassungsfähig, flexibel und agil ist. Während der Weltfinanzkrise und der Eurokrise wurden auch viele neue Politikinstrumente geschaffen. Man hatte dann für die Pandemie einen größeren ökonomischen Instrumentenkasten zur Verfügung, und man musste einige Instrumente nur abstauben und konnte sie gleich wieder einsetzen. Länder, die früher mit SARS Erfahrungen gesammelt hatten, konnte die Krise in der Frühphase der Pandemie auch besser meistern.

Das „Zurückfedern“ ist eine wichtige Eigenschaft resilienter Menschen und Organisationen. Was raten Sie CEOs, damit ihr Unternehmen (Prozesse, Management, Mitarbeiter etc.) resilienter wird?

Es ist wichtig, nicht in eine Schockstarre zu fallen. In einer Notsituation sollte so manches Tabu über Bord geworfen werden, um sich agil den neuen Gegebenheiten anpassen zu können. Langfristig müssen auch Prozesse neu strukturiert werden. Vor der Pandemie war alles auf Just-in-time geeicht. Inventurbestände wurden minimiert, Kosten reduziert. Resilienz erfordert ein Umdenken, denn Just-in-time-Lieferketten sind in Krisenzeiten sehr fragil. Ein Just-in-case-Ansatz ist angebrachter, damit man auch auf nicht vorgesehene Ereignisse reagieren kann. Außerdem sollten Produkte so entworfen werden, dass z. B. nicht jeder Chip im Auto speziell auf eine gewisse Einzelfunktion zugeschnitten ist, sondern generische Chips allgemein eingesetzt werden können. Fällt dann die Zulieferung eines Chips aus, kann man diesen mit einem generischen Chip ersetzen, der sich wie ein Legostein einfach einsetzen lässt. Das Spezialteile-Prinzip sollte durch ein Lego-Prinzip ersetzt werden.

Wird gerade das Ende der globalen Lieferkette eingeläutet, und bricht für die Unternehmen die Ära der Lokalisierung, des Re- oder Nearshorings an?

Die Weltwirtschaft steht vor einer großen Weichenstellung. Reshoring nimmt zu und Produktion wird wieder zurück nach Deutschland verlagert. Dadurch werden sich die Kosten erhöhen und sich unser Lebensstandard senken. Ein zweiter Ansatz, mehr Resilienz zu schaffen, ist das sogenannte Multi-sourcing. Anstatt von einem Land, die Inputgüter zu beziehen, bezieht man sie von drei verschiedenen Firmen, die auf drei verschiedenen Kontinenten beheimatet sind. Sollte dann eine Firma ausfallen, kann man auf die anderen zwei zurückgreifen. Dies ist ein wesentlich günstigerer Ansatz und hat auch den Vorteil, dass Schwellenländer weniger leiden werden. Dies ist insbesondere für Deutschland wichtig, da wir Wirtschaftsgüter in diese Länder exportieren wollen. Der dritte Ansatz ist das sogenannte „friend-shoring“. Man lagert die Produktion nur in freundlich gesinnte Ländern aus. Dadurch wird die Welt in zwei Blöcke geteilt und es ist auch nicht einfach zu bestimmen, wer Freund und wer Feind ist.

Markus K. Brunnermeier (geb. 1969 in Landshut) ist Edwards S. Sanford Professor an der Princeton University. Er ist Direktor des Bendheim Center for Finance in Princeton, Sloan Research Fellow sowie Empfänger des Bernácer-Preises für herausragende Beiträge in den Bereichen Makroökonomie und Finanzen. Neben weiteren Auszeichnungen gewann er zuletzt für sein jüngstes Buch „Die resiliente Gesellschaft“ den Deutschen Wirtschaftsbuchpreis 2021.

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