Erfolgreich im digitalen Ozean fischen
Alle zwei Jahre verdoppeln sich die Datenmengen in der digitalen Welt. Die Analyse von verhaltensbezogenen Kundendaten ist in Unternehmen mittlerweile üblich, im Personalwesen steht die Verwendung dieser Technologien erst am Anfang.
„Leaders 2020“, eine Befragung vom Wirtschaftsforschungsinstitut Oxford Economics und SAP unter 4.000 Managern und Angestellten aus 21 Ländern zeigte: Unternehmen, die die Prinzipien der digitalen Transformation auch im Bereich des HR übernommen haben, sind insgesamt erfolgreicher. Neben besseren finanziellen Ergebnissen zeichnen sie sich durch einfachere Entscheidungsprozesse aus und sind attraktiver für potenzielle Angestellte. Während bei Unternehmen, die auf Digitalisierung setzen, 87 Prozent der Belegschaft zufrieden sind, sind es bei den anderen Firmen nur 63 Prozent. Big Data hilft Firmen, nicht nur schneller Mitarbeiter zu finden, sondern auch effektiv die richtige Person anzusprechen.
Rund 40 Prozent der Unternehmen nutzen beim Recruitment die sozialen Netzwerke. Dabei geht es längst nicht nur um das Sammeln von Informationen über die Bewerber und die softwaregestützte Erstellung psychologischer Profile aufgrund einiger dutzend Likes auf Facebook. In Zeiten, in denen es mehr offene Stellen als geeignete Kandidaten gibt, versuchen Unternehmen die Menschen bereits anzusprechen, noch bevor sie überhaupt eine Arbeit suchen. SAP ist beispielsweise auf den Profilen in den sozialen Netzwerken von Universitäten aktiv, um so gezielt Studenten zu kontaktieren. „Soziale Netzwerke ermöglichen es uns, Bewerber effektiv anzusprechen, zu denen wir ansonsten keinen Zugang hätten“, sagt Pavel Barták, Berater für HR-Lösungen bei SAP SuccessFactors.
Der Schlüssel liegt auch darin, zu wissen, welche Kandidaten ein Unternehmen überhaupt ansprechen sollte. „Wir messen den Median dessen, wie lange ein Angestellter, zum Beispiel ein Finanzcontroller in Prag, auf einer konkreten Position verbleibt. Das Unternehmen kann sich mit diesen Daten effektiver auf diejenigen Kandidaten fokussieren, bei denen die Bereitschaft und die Wahrscheinlichkeit den Job zu wechseln größer ist“, erklärt HR-Technologieexperte Josef Kadlec von der Recruitment Academy.
Auch Programme wie Textio steigern die Effizienz, indem der Recruiter die Attraktivität seiner Stellenausschreibung mit Millionen weiterer Anzeigen vergleichen kann. Ein Algorithmus wertet die Konkurrenzfähigkeit der Ausschreibung aus und gibt Hinweise, wie man sie verbessern kann. In letzter Zeit sind außerdem Chatbots immer mehr im Kommen, die in der Lage sind, die Kommunikation mit einem Bewerber vollständig zu übernehmen.
Neu im HR-Bereich ist auch noch der Einsatz von Anwendungen, die Big Data analysieren. Die Vorauswahl kann mit Instrumenten beschleunigt werden, die einen geeigneten Kandidaten aufgrund vorgegebener Kriterien wie z. B. der Sprachkenntnisse identifizieren. Andere Programme analysieren den bisherigen Werdegang eines Menschen und sagen daraufhin einen möglichen künftigen Karriereverlauf vorher. Anwendungen wie Crystal Knows wiederum untersuchen die Posts eines Nutzers in den sozialen Netzwerken und ziehen Rückschlüsse auf seinen bevorzugten Kommunikationsstil. Maschinen und Programme, wie zum Beispiel Precire, sind in der Lage aufgrund des Kontextes zu verstehen, wie sich ein Mensch ausdrückt. Das IBM Watson Knowledge Studio analysiert auf diese Weise zugesandte Lebensläufe. Andere Programme lesen detailliert die Mikro-Mimik eines Bewerbers und stellen fest, wann er lügt. „Einiges davon wird sich vielleicht bald als Sackgasse herausstellen, anderes wird sich bewähren. Es gibt viele Versuche mit neuen Anwendungen, aber es ist noch zu früh, um zu sagen, welches Programm wirklich funktioniert“, urteilt HR-Blogger Matěj Matolín.
Das Recruitment durchläuft gerade einen grundlegenden Wandel. „Wir sind auf dem Weg zu etwas, was ich als Smart Data bezeichnen würde. Es geht dabei um das geschickte Lesen von Daten und Herstellen von Zusammenhängen, die bei der Arbeit mit Menschen helfen. Eine Herausforderung für die prädiktive Analytik ist das Verhalten der Bewerber vor dem Antritt einer Stelle und bei möglichen Fluktuationen. Entscheidungen nur Maschinen zu überlassen ist allein keine Lösung. Aber, Entscheidungen auf Grundlage von Datenanalyse führen eher zum Ziel und tragen zur Steigerung der organisatorischen Effektivität, der Leistungsfähigkeit, der richtigen Potenzialausschöpfung bei und senken die Fluktuationsrate“, meint Jan Sekanina, Recruitment-Chef der Česká spořitelna.
Autor: Bára Procházková
Quelle des ersten Beitragsbildes: , wikimedia.org, CC BY 2.0