Henne-Ei-Problematik in Tschechien
Interview mit Harald Hölzl, General Manager bei BMW Group Tschechien
Das Fundament seiner Karriere sind drei Buchstaben. Der Österreicher Harald Hölzl ist ein BMW-Mensch durch und durch. Seit 2014 Chef der BMW Group in Tschechien wohnt er mit seiner Lebensgefährtin und seiner sechsjährigen Tochter in Prag. Im Interview spricht er über Emotionen und Entscheidungen, Diesel und Elektromobilität in Tschechien, Startupper als Autohersteller, Carsharing und natürlich: die frisch enthüllte BMW-Vision.
Herr Hölzl, Sie sind frisch aus dem Urlaub in Kroatien zurück, haben dort ein Haus. Welcher BMW hat Sie dort hingebracht, nach Kroatien?
Ein X5 M50D. Ein M Performance. Und das lag einerseits natürlich an dem tollen Auto, aber auch an der Anhängerkupplung. Damit ich mein Segelboot nach Kroatien ziehen kann.
Haben Sie sonst ein Lieblingsauto?
Ich würde schon sagen der X5. Einfach sportlich und ein SUV, genügend Platz. Ich möchte jetzt mit meinen 41 Jahren nicht mit der höheren Sitzposition kommen, aber es ist schon ein Vorteil, einen guten Überblick zu haben.
Wie wird dann Ihre Tochter in 12 Jahren von A nach B fahren?
Ich habe ihr das schon mal erklärt. Viele Leute haben Angst, wenn man das erzählt. Ja, das Auto kommt per Handy-Bestellung vollautomatisch und fährt die Tochter in die Schule. Da gruselt einigen davor, aber das ist die Zukunft. Ihr hat‘s jedenfalls gefallen. Meine Tochter wächst auch schon mit Elektromotor auf. Meine Lebensgefährtin fährt einen i3. Das ist für meine Tochter das alltägliche Fortbewegungsmittel. Sie grinst aber trotzdem, wenn ich am Wochenende mal einen M3 anstarte …
Wie sieht die Geschäftsentwicklung bei BMW Tschechien aus?
Wir sind auf einem exzellenten Weg. Wir wachsen schneller als der Markt in Bezug auf alle Marken, BMW, Motorrad, Mini, BMW i und M. Im Vergleich zum letzten Jahr wachsen wir derzeit mit 15,5 Prozent per Halbjahr, letztes Jahr waren es 7,7 Prozent. Also wir haben schon ordentlich Zahn zugelegt und sind sehr zuversichtlich.
Diese Zuversicht ist ja bei der Autobranche in Deutschland im Augenblick gedämpft. In der Diskussion um den Diesel geht es hoch her. Spüren Sie, dass diese Diskussion auch nach Tschechien hineinwirkt?
Nein. Eigentlich gar nicht. Wir spüren zwar eine gute Nachfrage nach Benzinern. Vor allem jetzt bei unserem neuen 5er. Das hat aber mehr mit dem Motor an sich zu tun, weil der 40i in Fahrverhalten, Verbrauch und Dynamik einfach exzellent ist. Wir sehen in Tschechien keinen Trend aufgrund der Diskussion, die in Deutschland, Österreich und anderen Ländern die Medien dominiert, dass hier vom Diesel Abstand genommen wird. Unsere Diesel-Zahlen sind stabil.
Es gibt keinen Grund sich vom Diesel abzuwenden?
Nein, er trägt maßgeblich zur CO2-Reduktion bei, und ohne die modernen Diesel-Technologien, die wir bei BMW haben, würden wir die Emissions-Ziele gar nicht schaffen. Insofern plädiere ich dafür, die Konsumenten nicht zu verunsichern und den Diesel nicht in eine Ecke zu stellen, in die er nicht gehört.
Braucht die deutsche Autobranche einen Kulturwandel, wie VDA-Chef Matthias Wissmann das gefordert hat?
Wir legen die Sachen ehrlich auf den Tisch und haben hier immer eine klare Haltung gezeigt. So konnten wir seit 1995 die CO2-Emissionen im Flottendurchschnitt um über 40 Prozent reduzieren, und deshalb erzielen wir in unabhängigen Vergleichen die niedrigsten Emissionen und differenzieren uns mit überlegener Technik vom Wettbewerb.
Wie sieht der BMW der Zukunft aus und welchen Antrieb hat er?
Der BMW der Zukunft wird verschiedene Antriebsarten haben. Wir können nicht mit einer Antriebsart die anstehenden Herausforderungen lösen. Es wird den Verbrennungsmotor geben, den Elektromotor und Hybride. 2025 werden wir 25 elektrifizierte Modelle anbieten – 12 davon rein elektrisch. Auf der IAA haben Sie das Konzeptfahrzeug des ersten rein elektrischen MINI Serienfahrzeugs gesehen. Er kommt 2019 auf den Markt. Den X3, als ersten rein elektrischen SUV werden wir im Jahr 2020 einführen. Und derzeit bereiten wir alle Werke der BMW Group auf Elektromobilität vor. In Zukunft werden wir in der Lage sein, jedes Modell mit jedem beliebigen Antrieb auszustatten.
Sie kennen den BMW-Markt in Deutschland, in Österreich, in Tschechien. Worin unterscheidet sich der tschechische Markt, der tschechische Kunde?
Wir sehen in Tschechien einen klassischen Schwerpunkt in größeren, teureren Fahrzeugen als in Österreich oder Deutschland. X5, 5er, 7er und auch die ganzen Sportwagen. Was jetzt aber zu unserer Freude immer mehr wird, ist auch das Segment der kleineren Fahrzeuge, des 1er, 2er und MINI. Das liegt auch an den Finanzierungsprodukten, die wir entwickelt haben. Damit sind diese Fahrzeuge für eine breitere Zielgruppe erreichbar.
Zeichnet sich sonst ein neuer Trend im Kundenverhalten ab?
Der Kunde wird immer herausfordernder. Er kommt schon sehr gut vorbereitet zum Händler und ist auch immer kritischer, was die Services angeht. Zum Beispiel will er sich keine Gedanken darüber machen, wann sein Auto zum Service muss. Darauf haben wir schon vor einigen Jahren mit entsprechenden Technologien reagiert, so dass sich das Auto selbst beim Service meldet – mit Connected Service – und dem Autohaus verrät: „Ruf doch mal den Kunden an, der braucht neues Öl oder Bremsen.“ Und das ist natürlich schon sehr komfortabel. Wir sind schon mittendrin in der Digitalisierung, seit vielen Jahren.
Und der Vertrieb? Was passiert mit dem Händlernetz in digitalen Zeiten?
Der Dealer wird immer im Mittelpunkt des Geschehens sein. Ohne den Dealer, der mit dem Kunden in Kontakt ist, der auch für den Service gerade steht, wird‘s nicht funktionieren. Online Sales wird zwar immer wichtiger und sehr erfolgreich, aber in unserer Strategie sehen wir den Dealer als unerlässlich an. Ohne Menschen – das ist nicht die Art und Weise wie BMW den Vertrieb der Zukunft machen möchte.
Digitalisierung bedeutet natürlich einerseits mehr Freiheit, mehr Einfluss für jeden. Das trifft auf alle Lebensbereiche zu. Andererseits bedeutet es Kontrollverlust über den enormen persönlichen Datenfluss. Wie wird BMW mit diesem Widerspruch umgehen?
Mit Transparenz. Ganz einfach. Der Kunde muss immer vollumfänglich darüber informiert sein, welche Daten wohin gehen und zu welchem Nutzen. Und er muss damit einverstanden sein. Und das leben unsere Fahrzeuge schon heute. Wenn ich in ein neues Dienstfahrzeug steige, bekomme ich nach wenigen Kilometern die Frage am Display, ob ich die Daten sharen möchte oder nicht und welche. Ich glaube, Transparenz trägt hier einfach zu einem Vertrauen bei, das extrem wichtig ist bei der Digitalisierung. Es sammeln schon heute BMWs Informationen über den aktuellen Straßenzustand. Die Fahrzeuge stellen das einer Cloud zur Verfügung, welche wiederum anderen Teilnehmern im Vorhinein verrät, welche Straßensituationen sie auf der Route erwarten. Das bietet eben auch viele Benefits.
Sie sind seit 2014 General Manager von BMW Tschechien. Was war für Sie als Top-Manager die größte Herausforderung in diesen letzten drei Jahren?
Wir haben in Prag eine große Restrukturierung durchgeführt, und es ist eine Herausforderung, wie wir alle wissen, gute Leute zu finden. Gute Mitarbeiter sind extrem knapp auf dem tschechischen Markt. Dennoch finden wir in allen unseren Recruitings junge, ambitionierte Mitarbeiter und sind sehr happy darüber. Wir sind sehr gut für die Zukunft aufgestellt, aber die Luft ist schon dünn am lokalen Arbeitsmarkt.
Zeichnen sich aus Ihrer Sicht neue Formen von Leadership ab?
Je authentischer man ist, desto besser. Es macht keinen Sinn, sich da irgendwelche Leadership-Styles anzueignen. Wenn ein Leader so ist, wie er ist, dann ist das meistens die beste Art und Weise, seine Teams zu führen. Geradlinig, pragmatisch.
Dürfen Top-Manager Schwächen zeigen? Und welche haben Sie?
Das ist ja wie beim Bewerbungsgespräch. 🙂
Ich hoffe, nicht so unangenehm. Uns interessiert der Mensch hinter dem Auto. 🙂
Natürlich dürfen Manager Schwächen zeigen. Das gehört zur Authentizität dazu. Und ich bin davon überzeugt, die Mitarbeiter wollen das auch. Einen Menschen mit Emotion, der leidet, wenn’s mal schlecht läuft und seine Freude zeigt, wenn’s gut geht. Oft braucht man Emotion, um Sachen voranzubringen, um die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Sie treffen auch mal eine Bauchentscheidung?
Ich lege sehr viel Wert darauf, den Bauch einzusetzen, ja.
Die Antriebsentwicklung kommt jetzt gerade ziemlich in Fahrt. Was elektrifizierte Autos betrifft, hat BMW sich in seiner Strategie für 2017 100.000 verkaufte Stück als Ziel gesetzt. Haben Sie hier in Tschechien ein bestimmtes „E-Ziel“?
Tschechien hat als eines der wenigen Länder in Europa keinen financial incentive für private Käufer von elektrischem Autos oder Hybriden. Keine Vorteile für den Bürger, keine Vorteile für Firmenwagen, wie es ganz stark in Österreich der Fall ist. Und das würde helfen, um die Eintrittsbarriere für viele Menschen ein bisschen nach unten zu bringen und den Markt der Elektromobilität in Tschechien anzukurbeln. Das ist sehr bedauerlich. Es gibt hier auch keine mittelfristigen Initiativen seitens der Regierung.
BMW war ja sehr mutig, schon 2013 mit dem i3, also einem komplett elektrifizierten Auto, auf den Markt zu kommen. Wie viele i3 haben Sie bisher in Tschechien verkauft?
Der i3 ist weltweit ein Bestseller in seiner Kategorie im Premium-Segment, und auch in Tschechien haben wir mit diesem Auto große Erfolge. Insgesamt sprechen wir über mehr als 300 verkaufte Autos seit 2013. Weltweit sind wir auf einem sehr guten Weg, die 100.000 Marke bezüglich elektrifizierter Fahrzeuge zu knacken.
2021 soll der Tesla-Herausforderer BMW iNext auf den Markt kommen. Welche Bedeutung haben in der Strategie von BMW diese beiden Megatrends, E-Mobilität und autonomes Fahren?
Der BMW iNEXT wird unser nächster Innovationsträger mit elektrischen Antrieb und hochautomatisiert. Bei der IAA haben wir die BMW i Vision Dynamics vorgestellt, welche schon zeigt, wo’s möglicherweise hingeht. Angesiedelt zwischen i3 und i8 sieht sie aus wie ein 4-türiger Coupé, dynamisch, aber auch praktisch. Mit einer Reichweite von 600 km und einer Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 4 Sekunden bringt die BMW i Vision Dynamics die E-Mobilität auf ein neues Level.
Was muss bis dahin geschehen in Sachen Ladeinfrastruktur?
Die Ladeinfrastruktur muss mit den Kommunen und Arbeitgebern ausgebaut werden. Das muss man gemeinsam stemmen. In Deutschland oder den USA werden ja Milliarden investiert, um die Ladeinfrastruktur zu vergrößern. Das muss auch in anderen Ländern passieren. Das wird wahrscheinlich noch länger dauern, aber das muss kommen, egal ob das die Kommunen zur Verfügung stellen, die Arbeitgeber oder die Industrie. Wir haben hier zum Beispiel vier Ladesteckdosen in unserer Garage, Mitarbeiter können ihre Autos im Büro laden, ganz einfach.
Haben Sie Einflussmöglichkeiten als Vertrieb?
Die BMW Group arbeitet in Europa mit den Energieprovidern zusammen, um die Ladeinfrastruktur zu verbessern. In Tschechien zum Beispiel mit PRE und ČEZ. Aber es ist ein bisschen ein Henne-Ei-Problem in Tschechien mit den Elektrofahrzeugen und der Ladeinfrastruktur.
Sie haben der tschechischen Polizei unter anderem elf i3 zur Verfügung gestellt. Haben Sie positive Rückmeldungen?
Nicht nur von der Polizei, auch von den Kommunen, die diese i3 einsetzen. Sie berichten, wie stolz die Polizisten in ihren i3s sind und dass es einen sehr positiven Eindruck hinterlässt, auch in der Bevölkerung. Für uns ist das ganze Projekt ein Riesenerfolg und wir erweitern es.
Sie selbst lieben das Autofahren. Ist das autonome Fahren das Ende vom Fahrspaß?…
Überhaupt nicht. Ich fahr oft auch den 7er, und der hat ja auch schon viele teilautonome Systeme. Das nimmt überhaupt nicht den Fahrspaß, im Gegenteil. All diese Systeme erhöhen die Sicherheit und den Komfort für den Fahrer im täglichen Betrieb. Aber die Freude am Fahren steht auch immer im Zentrum beim BMW: Man kann also alles ausschalten, und das wird auch immer so bleiben.
Wie stark kommt es Ihrer Meinung nach zu einer Diversifizierung der Branche mit neuer Konkurrenz? Ich denke auch an Startups, die plötzlich mit einem E-Mobil auf den Markt kommen nach einem Jahr Entwicklungszeit.
Natürlich hört man viel von diesen Startups, die autonome, teilautonome, elektrifizierte Fahrzeuge auf den Markt bringen möchten. Die BMW Group ist 101 Jahre alt. Man braucht viel Know-how und viel Erfahrung, um auf diesem Markt so lange und so erfolgreich bestehen zu können. Und ich glaube, es wird sehr, sehr schwierig für Startups in diesem Sektor Fuß zu fassen. Die großen Hersteller sind dominant und technologisch weit vorne. Die Patente für autonomes Fahren kommen zu einem signifikanten Teil von deutschen Herstellern. Meines Erachtens ist es schon schwierig, ein Fahrzeug zu entwickeln, das Marktreife hat und profitabel ist, wenn man bei Null anfängt.
Auch ein Trend: Carsharing. Ist das für BMW eher eine Bedrohung für den Absatz oder eine große Business-Chance?
Für uns ist das eine Business-Chance, wir betreiben ja mit Drive Now, in den USA heißt der Service Reach Now, Carsharing-Plattformen recht erfolgreich. Wir sind in acht Ländern und zwölf Städten präsent. Ein absolut interessantes Business, jetzt und in Zukunft. Die Flotten werden vergrößert, Reach Now hatte kurz nach Launch schon 40.000 Nutzer.
Können Sie sich persönlich vorstellen, einen BMW nicht mehr zu besitzen, sondern mit anderen zu teilen?
Ob ich mein eigenes Auto mit anderen sharen würde? Ja! Das Auto für den täglichen Betrieb, why not? Ich hätte keine Berührungsängste mit dem Fahrzeugnetz. Unter der Woche fahr ich dann mit dem i3, bei Dienstreisen mit dem 7er und für den Wochenendtrip nach Kroatien buch ich dann einen X5 mit Anhängerkupplung … Alles per Mobiltelefon und mit Hol- und Bring Service. Perfekt!
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Hölzl!
Interview: Christian Rühmkorf
Fotos und Quelle des Beitragsbildes: Tomáš Železný
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