Design ist das Wesentliche

Wenn Martin Tvarůžek über sein Fachgebiet spricht, ist er nicht mehr zu halten. Aus einem einfachen Interview wurde so im Handumdrehen ein fünfstündiges Gespräch über Industriedesign und darüber, warum dieses Gebiet wichtiger ist, als es die meisten für möglich halten.

„Es geht nicht darum, ob mir etwas gefällt oder nicht. Wichtig ist, welchen Mehrwert es einem Hersteller und dessen Kunden bringt“, sagt der erfolgreichste tschechische Industriedesigner Martin Tvarůžek überzeugt. Im Juli erhält er bereits zum zweiten Mal den Red Dot Design Award. In mehr als 60 Jahren, in denen der als Design-„Oscar“ bekannte Preis vergeben wird, hat ihn kein anderer Tscheche in der Kategorie Maschinenbau erhalten.

Industriedesigner Martin Tvarůžek
Martin Tvarůžek

Tvarůžek stellt unter Beweis, dass Design nicht nur schöne Gläser, Deckenleuchten oder Möbel betrifft. „Es geht darum, den bestmöglichen Weg in allen Bereichen zu finden“, sagt Tvarůžek. Er selbst erhielt den prestigeträchtigen Preis 2015 für das Werkzeugmaschinenzentrum bei Škoda Machine Tool. Dieses Jahr zeichnete die Jury seine Werkzeugmaschine für TOS Kuřim aus. Er entwirft außerdem Aufzüge, Kessel und sogar Forsttraktoren. Dabei geht es bei weitem nicht nur um modische Farbanstriche.

Tvarůžek arbeitet am liebsten für tschechische Firmen. Aber Tschechien, gesteht er, hat in Sachen Industriedesign noch Nachholbedarf. „Design“ – mit diesem Wort verbinden viele Leute aus der Praxis einen exzentrischen Künstler mit einem ausschweifenden Lebensstil, der nicht viel vom Business und erst recht nichts von Industrieproduktion versteht. Das ärgert Tvarůžek. „In den Firmen, die ich besuche, sind die Leute oft erstaunt, wenn ich mir zuerst alles ganz genau anschauen will. Ich muss es mir selbst anschauen, ausprobieren und die Leute fragen, wie sie dort genau arbeiten“. Gerade die Gespräche mit denjenigen, die die entsprechenden Vorrichtungen herstellen, benutzen oder verkaufen, sind ein Grundstein seiner Arbeit. Zeichnungen und Entwürfe am PC sind erst viel später an der Reihe.

„Eine detaillierte Analyse ist für mich die Grundlage“, sagt Tvarůžek. Dabei entstünden häufig schon erste Ideen mit Potenzial die Firma voranzubringen. Der unvoreingenommene Blick von außen ist für die Unternehmen eine Chance. „Jemand, der mit einer Sache schon 20 Jahre arbeitet, kommt einfach nicht darauf, was seine Arbeit verbessern würde.“ Dabei hilft der Industriedesigner. Und zwar in den unterschiedlichsten Bereichen einer Firma.

Senkung der Produktionskosten, Verkürzung der Lieferzeiten oder Verbesserung der Logistik bis hin zu Innovationen, mit denen man sich auf neuen Märkten behaupten kann: Die Bereiche im Business und der Produktion, auf die Industriedesign einen entscheidenden Einfluss hat, sind vielfältig. Auch wenn sie nicht immer auf den ersten Blick erkennbar sind. Laut Tvarůžek ist sich die Mehrheit der tschechischen Unternehmenschefs nicht bewusst, was Industriedesign für sie leisten kann. So hat er einer Firma durch Veränderung des Designs dabei geholfen, die Größe ihrer Kessel so anzupassen, dass sie nun fünf, statt zuvor vier von ihnen auf einmal transportieren konnten. Das Unternehmen sparte jährlich rund 15 Millionen Kronen ein und musste seine Produkte nicht verteuern.

„Design ist natürlich nicht der alleinige Heilsbringer, vieles hängt von weiteren Faktoren wie Marketing und Handel ab“, erklärt Tvarůžek. Aber immer mehr Unternehmern werde die Kraft des innovativen Denkens und der Kreativität bewusst. „Innovationen, auch wenn es sich abgedroschen anhören mag, gewinnen für mich immer mehr an Bedeutung“, so Designer Tvarůžek.

Das bekommen auch immer wieder seine Studenten des Industriedesigns an der Technischen Universität Prag (ČVUT) zu hören. Er schwärmt von seinen „Kindern“, wie er sie nennt, und lehrt sie, die Sachen durch die Brille eines Herstellers und Nutzers zu sehen, der den Mut hat, neuen Trends zu folgen. Tvarůžek stören vor allem die fehlenden Ambitionen vieler tschechischer Unternehmen. Die meisten hätten keine Vision oder Vorstellung, wie ihre Branche in zehn Jahren aussehe. Dabei seien es gerade sie, die die Zukunft bestimmen und gestalten. „Aber die Tschechen warten einfach ab, was kommt“, so Martin Tvarůžek.

Er hofft, dass auch die junge Generation von Industriedesignern, die er in Prag ausbildet, zu einem Wandel beiträgt. „Die Welt zum Besseren verändern, das sollte unser Motto sein“.

Autor: Pavla Francová

Quelle des Logos (erstes Beitragsbild): reddot award

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert