(Un)moderne Mobilität in tschechischen Städten
Jeden Tag etliche Minuten im Stau zu stehen oder durch laute, verstopfte Straßen zu gehen – das ist nicht modern. Mit überfüllten Bussen und Straßenbahnen zu fahren oder ewig nach einem Parkplatz zu suchen – das ist nicht modern. Und es ist auch nicht modern, Radfahrer aus dem Stadtzentrum zu verbannen. Modern heißt in der Stadt: weniger Autos, mehr Sharing und Schiene und ein kompakter und komfortabler öffentlicher Nahverkehr, der auf E-Mobilität und langfristig auch auf autonomes Fahren setzt.
Wer sich Innovationen öffnet und geeignete Technologien verwendet, kann den Stadtverkehr sicherer machen, die Umwelt weniger belasten und ganz generell für eine höhere Lebensqualität in den Städten sorgen. Wo steht Tschechien in Sachen moderne Mobilität? Welche innovativen Projekte sind geplant oder werden schon umgesetzt? Gibt es Strategien oder Konzepte? In den Städten kündigt sich die moderne Mobilität bereits an, doch das Smart-City-Marketing eilt der Realität noch voraus. Seit 2015 arbeiten etliche tschechische Städte an modernen Konzepten, abgeschlossen sind sie aber nicht. Wenn die Pläne ausgearbeitet sind, erhalten die Städte für ihre innovativen Mobilitätskonzepte auch Zuschüsse der Europäischen Union.
E-Mobilität im ÖPNV
Zu den Vorreitern eines emissionsfreien öffentlichen Personennahverkehrs gehört Třinec. Seit dem vergangenen Jahr fahren zehn Elektrobusse durch die Stadt. Gemeinsam mit Ostrava und dem Kreis Mährisch-Schlesien arbeitet sie am Konzept einer „Smart City“. Hohe Ziele bei der Elektromobilität hat sich auch Hradec Králové gesteckt. Die Zahl der E-Busse soll schon bald von drei auf 23 steigen. In der Hauptstadt Prag werden derzeit Busse mit dynamischer Aufladung getestet: ihre Antriebsenergie beziehen die Fahrzeuge nicht nur aus Batterien, sondern auf bestimmten Abschnitten auch aus Oberleitungen. Gleichzeitig wird an einem Pilotprojekt gearbeitet, das eine elektrifizierte Strecke zwischen Hauptbahnhof und Flughafen vorsieht.
ÖPNV – einfach und bequem
Passagiere in Ostrava können schon seit Sommer 2016 mit einer kontaktlosen Chipkarte direkt in den öffentlichen Verkehrsmitteln ein Ticket kaufen. In Prag funktioniert dieser Service in den Straßenbahnlinien 18 und 22. Demnächst soll die Lítačka, die in Prag als elektronische Zeitfahrkarte für den Nahverkehr dient, Konkurrenz bekommen. Wer ein E-Ticket wünscht, benötigt dafür künftig nur noch eine Debit- oder Kreditkarte. Oder lässt es sich über eine App auf sein Handy schicken. Pilsen ist bereits einen Schritt weiter. Auch hier können die Fahrgäste mit Karte bezahlen. Zudem haben die örtlichen Verkehrsbetriebe die sogenannte „Pilsner Karte“ („Plzeňská karta“) eingeführt. Auf ihr lassen sich nicht nur E-Tickets für den ÖPNV inklusive der Städte Karlovy Vary und Mariánské Lázně speichern. Die Chipkarte dient auch als Zahlungsmittel für Parkgebühren, als Bibliotheksausweis und als elektronische Geldbörse für weitere Dienstleistungen in der Stadt. Ein intelligentes Verkehrssystem erleichtert die Orientierung in Pilsen. Es sammelt Daten zur Verkehrssituation, wertet sie aus und gibt sie an Fahrer und Reisende über das Internet, Apps oder „intelligente Haltestellen“ und Bordcomputer in den Fahrerkabinen weiter. Die Stadt Prag arbeitet derzeit an einem ähnlichen System.
Schnelles Parken
Intelligente Systeme suchen geeignete Parkplätze, ermöglichen die Zahlung von Parkgebühren über Apps oder helfen Autofahrern, mithilfe von Sensoren einen freien Parkplatz anzusteuern. Die unauffälligen Sensoren zwischen den Pflastersteinen sind beispielsweise bereits Anfang 2017 auf dem Karlsplatz (Karlovo náměstí) im Zentrum von Kolín installiert worden. Intelligentes Parken bietet auch der Stadtverwaltung und der Polizei Vorteile. Dank der Parkplatz-Sensoren kann zum Beispiel die Stadt Brünn Schwarzparker viel leichter überführen.
Individuelle Verkehrsmittel teilt man sich
Das erste Carsharing entstand im Jahr 2003 in Brünn als kommunales Projekt einiger Enthusiasten. Inzwischen haben die meisten tschechischen Kreisstädte das Konzept einer gemeinsamen Nutzung von Fahrzeugen eingeführt. Die Zahl der Carsharing-Fahrzeuge wächst rasant. Laut der Tschechischen Carsharing-Vereinigung (Asociace českého carsharingu) ist sie in den Jahren 2015 bis 2018 von 90 auf ca. 650 gestiegen, also um mehr als 600 %. In Zusammenarbeit mit der Stadt Prag hat die Vereinigung eine Internetseite gestaltet, die seit Anfang des Jahres mithilfe eines digitalen Stadtplans das Carsharing auf dem Gebiet der Hauptstadt ermöglicht. Die Metropole plant zudem ein E-Carsharing-Projekt – eine öffentliche Dienstleistung für die ganze Stadt, die Carsharing mit Elektrofahrzeugen anbietet. Auch öffentliche Fahrradverleihsysteme (Bikesharing) haben sich in Prag, Brünn, České Budějovice und weiteren Kreisstädten etabliert.
Ansätze oder Beispiele für moderne Mobilitätslösungen gibt es in tschechischen Städten durchaus. Allerdings ist es bisher noch keiner Stadt gelungen, ein ganzheitliches Konzept für moderne Mobilität umzusetzen. Dabei ist ein ausgearbeitetes Konzept entscheidend. Die DTIHK leistet mit ihrem TopThema „Intelligente Infrastruktur“ einen aktiven Beitrag zu dieser Entwicklung. Seit vergangenem Jahr suchen wir gemeinsam mit Partnerunternehmen, Startups, Studierenden, Städten und Gemeinden nach neuen Möglichkeiten und Herangehensweisen, wie sich das Leben in den Städten – einschließlich der Mobilität – verbessern lässt. Mehr unter www.intelligent-infrastructure.cz.
Autorin: Lenka Šolcová
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